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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Freyheit gränzt an den völligen Verlust derselben, und die Trunkenheit des Geistes an den Taumel der Sinnenlust. Die Majestät hingegen hält uns ein Gesetz vor, das uns nöthigt, in uns selbst zu schauen. Wir schlagen die Augen vor dem gegenwärtigen Gott zu Boden, vergessen alles außer uns, und empfinden nichts als die schwere Bürde unsers eigenen Daseyns.

Majestät hat nur das Heilige. Kann ein Mensch uns dieses repräsentiren, so hat er Majestät; und wenn auch unsre Kniee nicht nachfolgen, so wird doch unser Geist vor ihm niederfallen. Aber er richtet sich schnell wieder auf, sobald nur die kleinste Spur menschlicher Schuld an dem Gegenstand seiner Anbetung sichtbar wird; denn nichts, was nur vergleichungsweise groß ist, darf unsern Muth darniederschlagen.

Die bloße Macht, sey sie auch noch so furchtbar und grenzenlos, kann nie Majestät verleihen. Macht imponiert nur dem Sinnenwesen, die Majestät muß dem Geist seine Freyheit nehmen. Ein Mensch, der mir das Todesurtheil schreiben kann, hat darum noch keine Majestät für mich, sobald ich selbst nur bin, was ich seyn soll. Sein Vortheil über mich ist aus, sobald ich will.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_224.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)