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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Theil seinen Vortheil zu sehr, der andre seinen Nachtheil zu wenig empfände.

Will der Starke geliebt seyn, so mag er seine Ueberlegenheit durch Grazie mildern. Will der Schwache geachtet seyn, so mag er seiner Ohnmacht durch Würde aufhelfen. Man ist sonst der Meynung, daß auf den Thron Würde gehöre, und bekanntlich lieben die, welche darauf sitzen, in ihren Räthen, Beichtvätern und Parlamenten – die Anmuth. Aber was in einem politischen Reiche gut und löblich seyn mag, ist es nicht immer in einem Reiche des Geschmacks. In dieses Reich tritt auch der König – sobald er von seinem Throne herabsteigt, (denn Throne haben ihre Privilegien,) und auch der kriechende Höfling begiebt sich unter seine heilige Freyheit, sobald er sich zum Menschen aufrichtet. Alsdann aber möchte Ersterm zu rathen seyn, mit dem Ueberfluß des Andern seinen Mangel zu ersetzen, und ihm soviel an Würde abzugeben, als er selbst an Grazie nöthig hat.

Da Würde und Anmuth ihre verschiedenen Gebiete haben, worinn sie sich äussern, so schließen sie einander in derselben Person, ja in demselben Zustand einer Person nicht aus; vielmehr ist es nur die Anmuth, von der die Würde

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_211.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)