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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

wirkte, könnten aufgewogen werden! Offenbarer Unglaube kann der Gesellschaft nie gefährlich werden, sondern nur geheuchelter Glaube. Mimer! du kennst meine Achtung für wahre Religion; und doch könnte ich den Menschen nicht hassen, der durch falsche Schlüsse verleitet, laut sagte: Menschen, fürchtet keinen Gott, und trauet auf keine Zukunft, die euch nie werden wird! Ich würde einen solchen Menschen bemitleiden; aber dafür den von ganzem Herzen verabscheuen, der sich der, tief in das Herz des Menschen gegrabnen, Gefühle für Religion zur Erreichung seiner selbstsüchtigen Zwecke bediente. Die Wahrheit hat keine Untersuchung zu scheuen; mit Erhabenheit geht sie dem Spötter entgegen, und ruhig erwartet sie den irrenden Denker. Die Freyheit der Untersuchung wird uns ihr noch in die Arme führen. Geistesfreyheit ist das große Ziel, dem wir immer näher rücken, ohne Unterschied des Alters und des Geschlechts. Der Druck, unter dem die Männer das weibliche Geschlecht hielten, nähert sich auch seinem Ende, und wir werden endlich aufhören, seinen Tugenden bloß nach unsern, wahren oder eingebildeten, Bedürfnissen den Rang anzuweisen; wir werden sie auch für moralische Wesen, nicht bloß erkennen, sondern auch in der bürgerlichen Gesellschaft dafür gelten lassen.

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_069.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)