Seite:De Neue Thalia Band3 030.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Jetzt leisteten uns die langen Stöcke gute Dienste; ja anfangs hätte ich ohne den meinigen gar nicht fortkommen können. Ich that keinen Schritt, ohne erst seinen Stachel fest in den Erdboden vor mir oder neben mir eingestoßen zu haben, und dann ließ ich mich langsam an ihm herab. Nur ein einzigesmal glitschte ich im Anfang aus, und rutschte einige Schritte den Berg herab. Bald aber lernte ich auch ohne die Hülfe des Stabes über die großen und kleinen Steine schreiten, und meinen Fuß feststellen, obgleich mit weit größerer Anstrengung als das Heraufsteigen gekostet hatte. Die Kniee wurden gelähmt, und gleichsam eingeschnitten. Den ganzen Tag über hatten wir gewünscht, einen der großen Eis- oder Schneeklumpen fallen zu sehn, welche hier avalanches, in der deutschen Schweiz Lavinen heißen, und deren Donner ich die Nacht vorher gehört hatte. Beynahe wäre dieser Wunsch mir gewährt worden. Es fiel eine kleine Lavine nahe bey uns vom Gletscher des Bois, leider aber entrißen mir die Tannen an der Seite desselben den Anblick desselben; ich sah nur noch den Staub, der hinter ihm aufstieg. Das Frühjahr ist die Zeit, wo die größten und meisten herabrollen; manche vergraben bisweilen ganze Dörfer, die am Fuße der Gletscher liegen. – Nun stand ich wieder vor einem neuen Wunder der Natur.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Dritter Band, welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1793, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band3_030.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)