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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

Welt durchsuchen würde, um ein ihm entsprechendes Bild zu finden; man müßte denn, so wie ichs gemacht habe, behaupten, daß er sammt seinen Reden, zwar keinem Menschen aber vollkommen den Satyrn und Silenen gleiche. Denn auch das hätte ich schon im Anfang gleich erinnern sollen, daß auch seine Reden eben diese Aehnlichkeit mit den Silenen haben, die man öffnen kann. Wer Sokrates Reden zum erstenmal hört, dem müssen sie lächerlich vorkommen. Seine Worte und Ausdrücke erscheinen äusserlich, wie mit der Haut eines spöttischen Satyrs umgeben. Da hört man von Lasteseln, von ehrsamen Schmiden und Schustern und Gerbern sprechen, und immer glaubt man mit denselben Worten dasselbe zu hören; so, daß gewiß jeder, der seine Reden noch nie gehört und noch nicht verstehen gelernt hat, sie abgeschmakt finden muß. Wer aber den Schlüssel dazu findet und ins Innere derselben eindringt, der wird einen tiefern Sinn darin finden, und bald wird er entdecken, daß sie wahrhaft göttlich seien, und Schäze von Tugend enthalten, und sich über unzählige und besonders über alle diejenigen Gegenstände verbreiten, deren Untersuchung irgend einem Menschen wichtig ist, der sich gerne zum tugendhaften und edeln Mann bilden möchte. – Dies, ihr Männer, habe ich an Sokrates zu loben. Was ich an ihm zu tadeln habe, habe ich so nebenher

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_382.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)