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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

ich, ist vollkommen ähnlich jenen Silenen, welche, mit Queerpfeifen oder Flöten im Munde, in den Werkstätten der Bildschnitzer zum Verkauf ausgestellt sind. Wenn man sie mitten von einander thut, so enthalten sie inwendig Bildnisse von Göttern. Oder ich kann auch Sokrates vergleichen dem Satyr Marsyas. Was das Aussehen anbetrift, wirst du es selbst nicht läugnen, Sokrates. Aehnlichkeiten andrer Art wirst du sogleich von mir hören. Ein Spötter bist du; das kannst du auch nicht läugnen. Wenn du es nicht gutwillig bekennst, so werde ich Zeugen aufstellen. Aber kein Virtuose, meinst du? O, ein weit bewundernswürdigerer, als Marsyas. Durch sein Instrument hat dieser die Menschen gerührt; und noch jezt rührt sie jeder der seine Stücke spielt (denn seine Stücke nenne ichs immer, wenn sie auch Olympus[1] bläßt, denn von ihm hat sie dieser gelernt). Diese Stücke mag ein Virtuose oder die schlechteste Flötenspielerinn vortragen, sie fesseln doch durch sich selbst, und man sieht an dem Eindruk den sie machen, wem Götter und Religion heilig sind, weil sie selbst göttlich sind. Der Unterschied zwischen dir und Marsyas besteht bloß darin, daß du dieselbe Wirkung ohne Instrument, mit bloßen Worten hervorbringst. Wir hören


  1. Ein Schüler des Marsyas.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_368.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)