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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

im Keime lag, durch diese Vereinigung mit einem schönen Gegenstand gleichsam geboren wird, und diese neugeborne Ideen durch die beständige Erinnerung an den geliebten Gegenstand von ihnen gleichsam gemeinschaftlich großgezogen werden. Deswegen ist auch das Band, das zwei solche Wesen vereinigt, weit fester als die Bande zweier Sinnlichliebenden; ihre wechselseitige Liebe weit dauerhafter, weil die Geisteskinder, welche aus ihrer Vereinigung hervorgehen, schöne, für die Unsterblichkeit gereifte Früchte sind. Wer sollte nun nicht lieber wünschen, solchen Kindern, als sterblichen Wesen, das Dasein gegeben zu haben. Fordern doch so glänzende Beispiele zur Nacheiferung auf. Man sehe nur den Homer, oder Hesiod, oder andre vortrefliche Dichter, deren Geisteskinder, selbst unsterblich, ihren Urhebern unsterblichen Ruhm bei der spätesten Nachwelt sichern; oder Lykurg, dessen Kinder, seine Gesetze, die Retter von Sparta, ja man kann sagen, von ganz Griechenland wurden; oder Solon mit seinen Gesetzen, und so viele andre in und ausser Griechenland verehrte Männer, die so viele schöne Thaten erzeugt, und tugendhafte Handlungen aller Art vollführt haben, denen auch dieser ihrer Geisteskinder wegen hie und da Tempel und Altäre errichtet wurden – eine Ehre, die nirgend einem Sterblichen seiner sterblichen Kinder wegen widerfuhr. Dies ungefähr, mein lieber

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 354. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_354.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)