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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

dem Guten und Schönen strebe, weil ihm beides fehle?“ – Das habe ich freilich. – „Kann er also eine Gottheit sein, da ihm das Schöne und Gute fehlt?“ – Es scheint unmöglich. – „Siehst du nun wohl, daß du den Amor selbst nicht für eine Gottheit hältst?“ – Also wäre Amor ein sterbliches Wesen? – „Nichts weniger.“ – Was denn? – „Wie wir vorhin bemerkt haben; ein Mittelwesen zwischen sterblich und unsterblich.“ – Was also, Diotima? – „Ein großer Dämon, Sokrates; denn jeder Dämon macht ein Mittelwesen zwischen der Gottheit und dem Menschen aus.“ – Was ist aber die Bestimmung solcher Dämonen? – „Sie sind Dolmetscher und Unterhändler zwischen den Göttern und Menschen. Jenen überbringen sie die Bitten und Opfer der leztern; diesen aber die Befehle von den erstern und ihre Antworten auf die Opfer. Als Mittelwesen zwischen beiden, machen sie gleichsam das Band, durch welches das Universum zusammenhängt. Durch ihre Hände geht auch die ganze Mantik, und die Wissenschaft der Priester in Rüksicht der Opfer, der Einweihungen, der Beschwörungen, des Wahrsagens und der Zauberei. Eine unmittelbare Mittheilung zwischen der Gottheit und einem Sterblichen findet nicht statt; nur durch die Dämonen geschieht jede Verbindung und jede Offenbarung der Götter an die Menschen, im Schlafen

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_338.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)