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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

Achte Scene.

Diagoras
(allein.)
O süßer, heil’ger Liebesodem! Du,
ja du bist einzig unsres Herzens Leben!

165
Sie liebt mich – und in seel’ger Fülle schwebt

mein Wesen, gleich den Göttern des Olimp
in allbezwingend ew’ger Kraft einher –
O Liebe, heil’ge Klarheit, Götterstimme,
in unsrer Brust – wo ziehest du mich hin! –

170
Zur Schattennacht sinkt mein vergangnes Seyn,

zum wesenlosen Traum – dem Ungeliebten
glänzt nicht der Sonne reinster Strahl, ihm wölbt
sich nicht des reinsten Himmels Elau – So neu,
so lebenvoll blühn in dem Zauberhauch

175
der Zärtlichkeit mir Erd’ und Himmel – Hold

umfaßt mich der Geliebten liebliche
Gestalt, berührt mein Herz zum zärtern Schlag
der Freude! Ach, die Holde litt’ um mich,
mit süßer Lieb umschloß mich ihre Brust,

180
umhüllt vom Schleyer zarter Grazien –

Ich Thor erkannt’ es nicht, sah’ Kaltsinn nur,
in holder Schüchternheit – ich werde hier
Verzeihung in den süßen Augen finden,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_284.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)