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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

dem einz’gen Mann zu leben, den mein Herz

125
mit voller Lieb umschließt. Ein zarter Wahn

täuscht öfters unsern Schmerz, als nähre sich
die Lieb’ an des Geliebten hohem Bild,
als sey für Herzen keine Trennung möglich,
doch bald zerrinnt die leichte Luftgestalt.

130
Des Lebens Kreis zieht den entbundnen Geist

so bald zurück, er schmiegt der Sinnenwelt
mit traurig süßem Schauer neu sich an,
wir fühlen, alles ist die Gegenwart
für Herzen, die sich heiß und innig lieben –

Irene.

135
Kennt der Geliebte deine Liebe, Beste,

erträgt sein Herz der Trennung hartes Loos?

Lidia.

Er kennt sie nicht, und soll sie niemals kennen!
O ein geheimes wundervolles Band
verknüpft mein Wesen mit dem theuren Mann.

140
Kein Flammenblick der Liebe und kein Wort

der Zärtlichkeit hat es gewebt. Er ist
mir alles – ach was ich ihm bin, das schwankt
mir wandlend vor der Seele! Heilig ist

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_249.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)