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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

      Doch wohl uns, wohl! – uns ward ein besser Loos,
an süßem Wahn darf unser Herz sich letzen.
Die Zähre, die geheimer Sehnsucht floß,

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darf ungestraft des Jünglings Wange netzen,

der falschen Weisheit dräuendes Geschoß
vermag es nicht, die Brust uns zu verletzen,
sie kämpft umsonst, beneidend unser Glück,
ihr Bogen klirrt, ihr Pfeil funkt matt zurück.

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     Wir dürfen frey des Lebens Blüthenzeiten

dem goldnen Traum erhabner Schwärmerein,
dem Hochgefühl der ersten Liebe weihn;
wir dürfen kühn für Recht und Freyheit streiten,
der Muse Lied, die Harmonie der Saiten

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darf unser Ohr und unser Herz erfreun,

und für der Freundschaft heil’ge Sympathieen
darf in der Brust ein ew’ges Feuer glühen.

     Ja, frey zu seyn, der Menschheit erstes Recht,
dies sey das edle Ziel, nach dem wir ringen,

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wer Ketten trägt, wird durch die Ketten schlecht,

die Sklaverey lähmt unsers Geistes Schwingen.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_015.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)