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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Das hoffe nicht, mein armes Herz! vergebens
     umgaukelt dich mit goldbekränzten Schwingen
     die reizendste der Dichterphantasieen.
Getäuschte Hoffnung ist das Loos des Lebens!

55
     je kühner wir nach unserm Glücke ringen,

     je sichrer wird es immer vor uns fliehen.

V.

Gedankenvoll, auf unbesuchten Fluren
     schweif’ ich umher, mit leisen, trägen Schritten!
     mich locken nicht des Landmanns stille Hütten,

60
     mich reizen nicht der Schäferinnen Spuren.

Ich hasse diese redenden Figuren!
     was hab’ ich unter ihnen nicht gelitten!
     dies Herz, von bitterm Gram so tief durchschnitten,
     dies Herz, sehnt sich nach unbesuchten Fluren.

65
Ach! nur der Berg, der Hain, und diese Flüsse,

     an deren Ufer oft mein Fuß verweilet,
     die wissen nur, wie tiefer Gram mich quälet;
Ich träume dann der süßen Liebe Küsse;
     ich horche dann, was sie, die Herzen heilet,

70
     mit lieblichem Geflüster mir erzählet.
Nach Petrarcas 23stem Sonnet.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band1_378.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)