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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält.

sind, so ist das Mitleid reiner, und wird zum wenigsten durch keine Vorstellung moralischer Zweckwidrigkeit geschwächt. Aber dann kann dem theilnehmenden Zuschauer das unangenehme Gefühl einer Zweckwidrigkeit in der Natur nicht erlassen werden, welche in diesem Fall allein die moralische Zweckmäßigkeit retten kann. Zu einem weit höhern Grad steigt das Mitleid, wenn sowohl derjenige, welcher leidet, als derjenige, welcher Leiden verursacht, Gegenstände desselben werden. Dieß kann nur dann geschehen, wenn der letztere weder unsern Haß noch unsere Verachtung erregte, sondern wider seine Neigung dahin gebracht wird, Urheber des Unglücks zu werden. So ist es eine vorzügliche Schönheit in der deutschen Iphigenia, daß der Taurische König, der einzige, der den Wünschen Orests und seiner Schwester im Wege steht, nie unsre Achtung verliert, und uns zuletzt noch Liebe abnöthigt.

Diese Gattung des Rührenden wird noch von derjenigen übertroffen, wo die

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band1_195.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)