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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält.

wenn ich hinab zur Tiefe sah.

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Wie bebt es, wenn der Donner rollte,

und ich, ein kriechendes Insekt,
in Felsen mich verbergen wollte,
in dichter Dämpfe Nacht versteckt,
die Felsen um mich her des Donners Nahmen riefen,

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weil seine Stimm in ihre Klüfte drang

und furchtbar nun aus Thälern und aus Tiefen
sein hehrer Nahme wieder klang.
O Land, das nie ein Lied ermessen,
kein Pinsel würdig mahlen wird,

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wie könnt ich Jüngling dich vergessen,

seit deine Wunder ich durchirrt,
seitdem ich meines Lebens frohste Stunden
im Schatten deiner Felsen fand,
an die mich Phantasie und Kunst gebunden,

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wie mich das Herz an deine Bürger band.

O Menschheit, Menschheit nie empfand
ich höher, stolzer deine Würde
als in der Freiheit goldnem Land,
und dich, mein armes Vaterland,

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dich drückt noch harter Knechtschaft, Bürde!

Wird je für dich mit starker Hand,
ein Tell sich aus der Nacht erheben
zerbrechen deine Kerkerwand,
und dir die Menschheit wieder geben?


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band1_128.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)