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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält.

Schmerz erkauft wird, und dieß geschieht, wenn eine moralische Pflicht übertreten werden muß, um einer höhern und allgemeinern desto gemäßer zu handeln. Wäre Koriolan, anstatt seine eigene Vaterstadt zu belagern, vor Antium oder Korioli mit einem römischen Heere gestanden, wäre seine Mutter eine Volscierin gewesen, und ihre Bitten hätten die nehmliche Wirkung auf ihn gehabt, so würde dieser Sieg der Kindespflicht den entgegengesetzten Eindruck auf uns machen. Der Ehrerbietung gegen die Mutter stünde dann die weit höhere bürgerliche Verbindlichkeit entgegen, welche im Collisionsfall vor jener den Vorzug verdient. Jener Commendant, dem die Wahl gelassen wird, entweder die Stadt zu übergeben, oder seinen gefangenen Sohn vor seinen Augen durchbohrt zu sehen, wählt ohne Bedenken das Letztere, weil die Pflicht gegen sein Kind der Pflicht gegen sein Vaterland billig untergeordnet ist. Es empört zwar im ersten Augenblick unser Herz, daß ein Vater dem Naturtriebe und der Vaterpflicht so widersprechend handelt,

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Erster Band welcher das erste bis dritte Stück enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band1_116.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)