Es ist Rhaetia zu Schwaben lange Zeit gerechnet worden. Ptolemaeus gibt lib. 2. cap. 12. dem Land Rhaetia eben die Gräntzen / so heutiges Tags das Bisthumb Chur hat dessen Anstösser seyn von Morgen die Bißthümber Augspurg vnnd Brixen, gegen Mittagwärts die Bißthümber Trient / vnnd Veron; vnd eben von Mittag die von Com / Clävener / Vingstgäwer / vnd Bellentzer / so wegen der Bequemlichkeit zum Bißthumb Com gerechnet werden: Vom Abend / in dem höchsten Gebürg / die Lepontische Vrer des Costnitzischen / vnd Viberi deß Sittischen Bißthumbs: Und dann so reychet es von Mitternacht / biß an BodenSee / auff beyden Seiten deß Rheins / vnd nach Gastern in Schweitz. Vnd dieses ist das rechte vhralte Rhätien gewesen / welches heutigs Tags vmb ein gutes kleiner ist / nämblich / als viel die drey Bünd vom Land innen haben; deren Gräntze stossen von Morgen an die Vinstgäwer vnd Inthaler / wo der Berg die Vinstermüntz / oder Vetmetza / liget / da auff der andern Seiten die Etsch entspringet: Vom Abend die Berge S. Barnaba / Crispalt / Vepca vnnd Marcha / ligen: Vom Mittag die drey Hauptpfarren / die drey Piever / oder Triumpilini genannt; am Cumersee (so Meyländisch / darbey etwan die Vestung Müß gestanden / die von Francisco II. Hertzogen zu Meyland / vnd den Grawbüntern / endlich geschlaifft worden ist) vnd andere Beywohner deß Comersee / das Saxenerthal zum Hertzogthumb Meyland / vnd die Bergomaßker / vnd Camuner / den Venedigern gehörig. Von Mitternacht die Bretigäwer / Walgäwer / und Estner / auff einer, vnd auf der andern die Reguscier / vnd Sarnganser. Daß also deß jetzigen Rhätien Länge ist von Mittag gegen Mitternacht / bey 15. Rhätischer Meilen vngefehr / wann man / nämlich / achttausend Schritt für eine zehlet; vnd die Breyte vom Morgen gegen Abend bey 13. Meilen. Vnd seyn heutigs Tags folgende Ort / so vor Zeiten zu Rhätia gerechnet worden / davon außgeschlossen; als gegen Mittag jenseit deß Gebürgs / die Tyroler zum theil / da die Vinstgäwer; die Abtey S. Marienbergs; die drey Piever; die Graffschafft Bellentz / mit den benachbarten Lepontiern. Disseits Gebürgs aber / gegen Mitternacht / Vrseren / Haldenstein / Pfävers / Sarnganser Graffschafft / Gastern / allda Windeck / vnd Schennis; das Durthal / da S. Johanns ist; die Graffschafft Werdenberg / Gambs / die Herrschafft HohenSaxen / vnd das Rhingäw: Auff der rechten Seiten aber deß Rheins Guttenberg / Vadutz / Schellenberg / Feldkirch / Sonnenberg / Pludentz / Walgäw / Blumeneck / Montfort / Nunburg / Hohen Embs / Bregentz / mit der vmbligenden Landschafft / biß an den BodenSee. Vnter dem Käyser Augusto seyn Tiberius vnd Drusus / wider die Vindelicier / vnd ihre Nachbarn / die Rhätier / geschickt worden / so jhnen obgesieget haben. Vnd wurden beyde der Rhätier / vnd Vindelicier / Landschafften forthin mit einem Namen Rhätia geheissen. Der Vberwundenen seyn viel auß dem Land anderswohin geführet worden / vnnd / wie Theils mutmassen / in Moesiam superiorem, daher daselbsten der Nam Rascia / vnd Rezen / entstanden. Vnd wurden hierauff in Rhätia newe Römische Einwohner / oder Ausschuß / oder Colonia, das ist / die erbawende Menge / eingeführt. Mitlerzeit seyn alle Rhätische Land / so wol die Newen / als die Alten / in zwo Römische Provintzen vntertheilet worden;
Matthäus Merian: Topographia Sueviae. Frankfurt am Mayn: Frankfurter Kunstverein, 1643/1656 (Faksimilenachdruck 1925), Seite I. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Merian_Sueviae_002.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)