Seite:De Merian Helvetiae, Rhaetiae et Valesiae 068.png

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Discipel / hat am Bodensee Anno Christi 614. vnd folgende Jahr / biß auffs 30. geprediget / in welchem Jahr er ein Einsidel worden / vnd ihme ein Cell erbauet / so in einem gar wilden vnnd finstern Wald / an zweyen Bergen gelegen / deren der eine das Buch / der ander die Bernegk folgends seyn genandt worden / zwischen welchen obgedachter rauher Bach / die Steinaych genant / durch die Felsen herfür / biß an die Rinckmauren der Statt Sanct Gallen rauschet / daran der Zeit wol acht Müllinen seyn sollen. Vmbs Jahr 640. ist er zu Arbon am Bodensee im 95. Jahr seines Alters gestorben / vnnd in besagte seine Cell geführet worden / bey welcher / nach seinem Todt / etliche seiner Jünger / sampt andern Brüdern / sich versamblet / aber keinen besondern Orden oder Regel / biß auff S. Othmayrs deß ersten Abbts / Ankunfft / gehabt / von welchem / etwann bey 80. Jahren / nach S. Gallen Todt / S. Benedicten Regul da erstlich eingeführet worden ist. Vnd seyn selbige vnderschiedlicher Spraachen gewesen / daher die Berge bey der Statt / als Rotmont / Monzelen / oder mons coeli, jetzt Menzeln / also genannt worden. Vnd haben diese Zuchtschuler / Layenstandts / ihren Priester vnd Pfarrer gehabt / vnd ist S. Peters Kirch die älteste zu. S. Gallen. Gemeldter erster Abbt S. Othmar / ein Schwab / kam herfür Anno 720. ward deß Ehebruchs beschuldiget / vnd vor dem Bischoff zu Costantz verklagt / auff dem Schloß Podmen gefangen gehalten / hernach ins Elend verwiesen / vnd starb in demselben / in der Insel ob der Statt Stein / jetzt im Wörd geheissen / An. 759. Man entschuldigt ihn gleichwol / vnd sagt / es hette ihm der Bischoff zu Costentz vngütlich gethan / wie er dann A. 864. in der Heiligen Zahl gesetzet worden / nach dem er in seinem Leben den armen zu gut ein Spital vnd Bilgerhauß / gebawet hatte. Folgends hat der Abbt Gottsbertus allhie / so Anno 816. erwehlt worden / obgedachte Cell anders vnd bessers erbaut / so Anfangs S. Gallen / folgends S. Othmars Kirchen / vnnd das Kloster forthin nicht mehr S. Gallen Cell / sondern Sanct Gallen Münster genannt worden. Vnd mit vnnd bey diesem Kloster / hat sich die rechte alte Statt S. Gallen erhebt / ist hernach / vmbs Jahr Christi 954. auß einem Dorff zu einer Statt zu machen / mit Mawren vnnd Gräben / Thürnen vnd Thoren / zu vmbziehen / angefangen / vnd vngefährlich An. 980. vollendet worden. Anno 1418. verbrannt zwar diese Statt / biß ohngefehr vff 17. Häuser / wurde aber zierlicher hernach erbawt / vnnd seyn deßwegen folgendts die Nacht- vnnd Windwächter da angestellt worden. Das Kloster ligt in der Statt / hat aber seyn eygen Thor / vnnd absonderliche vollkommene Jurisdiction; sonsten wenig eingeschlossener Häuser / vnnd neben denselben zween Gärten: Die andern Plätz seyn der Statt / auch Tag vnnd Nacht offen / vnd vngesperrt. Vnd stehen in der Frawen Abbtissin deß Fürstlichen Frey-Adelichen Weltlichen Stiffts zu Lindaw Rettung / dero Stiffts Freyheit- vnnd Herrlichkeiten / wider die Lindauische gründliche Außführung / etc. am 63. blat / folgende Wort. D. H. fol. 864. gestehet selbst / das Closter S. Gallen habe nicht minder / als Costantz / vnd Chur / die hohe Regalia, sub medii temporis Impp. erlangt; wie kan Er dann / mit fug / vber selbiges Gottshauß / der Statt / welche / vor Alters / dem Closter zugehört / einige Superiorität zueygnen? Vnd bald hernach wird daselbst also gesagt: Nicht allein hat die Statt S. Gallen kein Superiorität / vber selbiges Fürstlich-Gottshauß / sondern so gar die Stattmaur / in dessen Einfang / ist dieses Closters eigen: wie es dann auch ein absonderlich Statthor hat / dessen sich Ihr Fürstl. Gn. sampt den Ihrigen / ohne Einred der Statt / bedienen können. Neben dem / hat / ausser der Statt / gemeldtes Gottshauß / ein absonderliches Hochgericht / vnd omnimodam jurisdictionem territorialem. Da es D. H. beliebt / mag Er dahin raisen / vnd selbst nachfragen / ob einen in deß Gottshauß Einfang betrettenen Maleficanten / oder Vbelthäter / der Herr Praelat beyzufahen / vnd zu straffen hab? Biß hieher diese Schrifft: Das Münster ist ein gemeine / vnd offene Kirch der Statt / vnd Burgerschafft / die auch gemeine Schlüssel darzu haben / vnd ihre Wacht auff dem Münsterthurn halten; haben auch gemeine Verwaltung vber das Heyligthumb. Das Kloster hat nichts in der Statt / ohn ein angedingt / vnd verbriefft

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Matthäus Merian: Topographia Helvetiae, Rhaetiae et Valesiae. , Frankfurt am Main 1654, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Merian_Helvetiae,_Rhaetiae_et_Valesiae_068.png&oldid=- (Version vom 2.4.2020)