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schlachts, wir haben sonst nichts für die Gäste.“ Da ging der Koch hin und holte das Lämmchen und führte es in die Küche, band ihm die Füßchen, das litt es alles geduldig. Wie er nun sein Messer herausgezogen hatte und auf der Schwelle wetzte, um es abzustechen, sah es, wie ein Fischlein in dem Wasser vor dem Gossenstein hin- und herschwamm und zu ihm hinaufblickte. Das war aber das Brüderchen, denn als das Fischchen gesehen hatte, wie der Koch das Lämmchen fortführte, war es mitgeschwommen im Teich bis zum Haus. Da rief das Lämmchen hinab:

„Ach Brüderchen im tiefen See!
wie thut mir doch mein Herz so weh!
der Koch der wetzt das Messer,
will mir mein Herz durchstechen!“

Das Fischchen antwortete:

„Ach Schwesterchen in der Höh,
wie thut mir doch mein Herz so weh
in dieser tiefen See!“

Wie der Koch hörte, daß das Lämmchen sprechen konnte und so traurige Worte zu dem Fischchen hinabrief, erschrak er und dachte, es müßte kein natürliches Lämmchen seyn, sondern von der bösen Frau im Haus verwünscht. Da sprach er: „sey ruhig, ich will dich nicht schlachten,“ nahm ein anderes Thier und bereitete das für die Gäste und brachte das Lämmchen zu einer guten Bäuerin, der erzählte er alles, was er gesehen und gehört hatte. Die Bäuerin war aber gerade die Amme von dem Schwesterchen gewesen, vermuthete gleich, wer’s seyn würde, und ging

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V2_255.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)