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und da der Königssohn eben beschäftigt war seine Kleider wieder anzuziehen, faßte er ihn und stach ihm beide Augen aus.

Nun war der arme Königssohn blind und stand da und wußte sich nicht zu helfen. Da trat der Riese wieder zu ihm und hatte Böses im Sinn. Schweigend faßte er den Blinden bei der Hand, wie jemand der ihn leiten wollte; so führte er ihn fort auf die Spitze eines hohen Felsens. Da verließ er ihn und dachte, wenn er noch ein paar Schritte geht, so stürzt er sich todt und ich kann ihm den Ring abnehmen. Aber der treue Löwe hatte seinen Herrn nicht verlassen, hielt ihn am Kleide fest und zog ihn allmälig wieder zurück. Als der Riese zurück kam und den Todten berauben wollte, da fand er ihn gerettet. „Ist denn ein so schwaches Menschenkind nicht zu verderben!“ sprach er zornig zu sich selbst, faßte den Königssohn und führte ihn zum zweitenmal auf einem andern Weg zum Abgrund; aber der Löwe, der die böse Absicht merkte, half seinem Herrn treulich aus der Gefahr. Als sie bis zum Rand gekommen waren und der Riese die Hand des Königssohns fahren ließ, um ihn allein zurückzulassen, da sprang der Löwe mit aller Macht gegen ihn, daß das Ungeheuer hinabstürzte und ganz zerschmettert wurde.

Darnach zog er seinen Herrn wieder herab und leitete ihn zu einem Baum, an dem ein klarer Bach floß. Der Königssohn setzte sich da nieder, der Löwe aber legte sich an das Wasser und spritzte, so gut er konnte, ihm davon ins Antlitz. Ein paar Tröpfchen trafen auch glücklich die Augen und benetzten sie, und der Königssohn merkte, daß sein Gesicht etwas wiederkam, denn

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V2_168.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)