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der Jude: „bewahre Gott! erlaubt’s ihm nicht! erlaubt’s ihm nicht!“ allein das Gericht sagte: „einmal ist es ihm zugestanden und dabei soll’s bewenden,“ auch durften sie’s ihm nicht weigern, weil er die Gabe hatte, daß ihm keiner die Bitte abschlug. Da schrie der Jude: „bindet mich fest, um Gotteswillen!“ mein Knecht aber faßte seine Fiedel und that einen Strich, da wankte alles und bewegte sich, Richter, Schreiber und Schergen und den Jud’ konnte keiner binden, und er that den zweiten Strich, da ließ ihn der Henker los und tanzte selber, und wie er nun ordentlich in’s Geigen kam, tanzte alles zusammen, Gericht und der Jude vornen und alle Leute auf dem Markt die da wollten zuschauen. Und anfangs ging’s lustig, weil aber das Geigen und Tanzen kein Ende nahm, so schrien sie jämmerlich und baten ihn, abzulassen, aber er that’s nicht eher, bis ihm der Richter das Leben nicht nur schenkte, sondern auch versprach die hundert Gulden zu lassen. Aber noch rief er dem Juden zu: „Spitzbub’ gesteh wo du das Geld her hast, sonst hör’ ich dir nicht auf zu spielen.“ „Ich hab’s gestohlen, ich hab’s gestohlen und du hattest es ehrlich verdient“ schrie der Jude, daß es alle hörten. Da ließ mein Knecht die Geige ruhen und der Schuft wurde für ihn an den Galgen gehängt.


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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V2_122.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)