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Nicht zu verkennen ist ein gewisser Humor, der durch viele hingeht, wenn er sich manchmal auch nur leise äußert, und den man mit der eingelegten Ironie moderner Erzähler nicht verwechseln muß. In einigen wird er besonders und anmuthig ausgebildet, wie in der klugen Else, dem Schneider im Himmel und dem Jungen, der auszog, das Fürchten zu lernen, und der durch nichts Schreckhaftes, zuletzt aber durch ein natürliches Mittel zur Erkenntniß gelangt. Das ungeschlachte Wesen des jungen Riesen erhält eben so durch seinen Humor ein Gleichgewicht, als Siegfried in den Nibelungen durch seine Scherze das strenge Heldenwesen mildert. Der phantastische Igel-Hans erhebt sich dagegen durch den Humor aus dem Wilden und Thierischen, und der Bruder Lustig aus seiner Sünde. Dieser Zug ist eigenthümlich deutsch und wird sich auf diese Weise in den Märchen anderer Völker nicht leicht wiederfinden.

Die Darstellung kann in sofern mitunter lückenhaft heißen, als sie wohl einen Theil des Inhalts nur kurz erzählt oder andeutet, um bei einem andern länger zu verweilen; auch läßt sie ganz etwas fallen, ohne doch den Faden zu zerreißen, der nur anderswo angeknüpft wird; dagegen lenkt sie manchmal in eine andere Sage ein und nimmt ein Stück davon auf. Sie gleicht einer Pflanze, deren Sprossen und Zweige jedes Frühjahr in einer andern Richtung hervorwachsen, und die doch Gestalt, Blüte und Frucht darum niemals verändert; oder es ist der lebendige Odem, der über diese Poesie hingeht und ihre Wellen auf und ab treibt und bewegt. Zuweilen scheint der Schluß unbefriedigend, weil

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite XXV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_v_025.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)