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Der Förster stieg hinauf, holte das Kind herunter und dachte: „du willst das Kind mit nach Haus nehmen und mit deinem Lehnchen zusammen aufziehen;“ brachte es heim, und die zwei Kinder wuchsen so mit einander auf. Das aber, das auf dem Baum gefunden worden war, und weil es ein Vogel weggetragen hatte, wurde Fundevogel geheißen. Fundevogel und Lehnchen hatten sich so lieb, nein so lieb, daß wenn eins das andere nicht sah, wurde es traurig.

Der Förster hatte aber eine alte Köchin, die nahm eines Abends zwei Eimer und fing an Wasser zu schleppen und ging nicht einmal, sondern vielemal hinaus an den Brunnen. Lehnchen sah es und sprach: „hör einmal, alte Sanne, was trägst du denn so viel Wasser zu?“ – „Wenn dus keinem Menschen wieder sagen willst, so will ich dirs wohl sagen.“ Da sagte Lehnchen, nein, sie wollte es keinem Menschen wiedersagen, so sprach die Köchin: „morgen früh, wenn der Förster auf die Jagd ist, da koche ich das Wasser, und wenns in dem Kessel siedet, werf ich den Fundevogel ’nein, und will ihn darin kochen.“

Und des andern Morgens in aller Frühe stieg der Förster auf und ging auf die Jagd, und als er weg war, lagen die Kinder noch im Bett, da sprach Lehnchen zum Fundevogel: „verläßt du mich nicht, so verlaß ich dich auch nicht!“ so sprach der Fundevogel: „nun und nimmermehr.“ Da sprach Lehnchen: „ich will es dir nur sagen, die Sanne schleppte gestern Abends so viel Eimer Wasser ins Haus, da fragte ich sie, warum sie das thäte, so sagte sie: wenn ichs keinem Menschen sagen wollte, so

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_254.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)