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das Mädchen nicht mitgelaufen war und sie nichts von ihm wußte, und ging wieder heim. Andern Tags kam der König, da fand er niemand, als das Mädchen, das erzählte ihm, daß es aus seinem Fensterlein gesehen, wie seine lieben Brüder als Schwäne fortgeflogen wären und zeigte ihm die Federn, die sie in den Hof hatten fallen lassen und die es aufgelesen. Der König trauerte, dachte aber nicht, daß die Königin die böse That vollbracht hätte und weil er fürchtete, das Mädchen würde ihm auch geraubt, wollte er es mit fort nehmen. Aber es hatte Angst vor der Stiefmutter und bat, daß es nur noch diese Nacht im Waldschloß bleiben dürfte.

Als aber die Nacht kam, da entfloh es und ging geradezu in den Wald hinein. Es ging die ganze Nacht und auch den andern Tag in einem fort, bis es vor Müdigkeit nicht weiter konnte. Da sah es eine Wildhütte, stieg hinauf und fand eine Stube mit sechs kleinen Betten, aber es getraute nicht, sich in eins hinein zu legen, sondern legte sich unter eins auf die Erde und wollte die Nacht da zubringen. Als aber die Sonne bald untergehen wollte, hörte es ein Rauschen und sah, daß sechs Schwäne zum Fenster herein geflogen kamen. Sie setzten sich auf den Boden und bliesen einander an und bliesen sich alle Federn ab, und da streifte sich ihre Schwanenhaut herunter wie ein Hemd. Da sah sie das Mädchen an und sah, daß es ihre Brüder waren, freute sich und kroch unter dem Bett hervor. Die Brüder, als sie ihr Schwesterchen erblickten, freuten sich auch, waren aber zugleich traurig und sprachen: „hier kann deines Bleibens nicht seyn, das

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_245.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)