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ihr das Herz. Darauf rissen sie ihr die feinen Kleider ab, legten sie auf einen Tisch und zerhackten ihren schönen Leib in Stücken, und streuten Salz darüber. Da ward der Braut hinter dem Faß Angst, als müßte sie nun auch sterben. Und einer sah, daß an dem kleinen Finger der Gemordeten ein goldener Ring war, und weil er sich nicht gut abziehen ließ, nahm er ein Beil und hieb den Finger ab, aber der Finger sprang in die Höhe und fiel hinter das Faß, der Braut gerade in den Schoos. Der Räuber nahm ein Licht und suchte darnach, konnte ihn aber nicht finden, da sprach ein anderer: „hast du auch schon hinter dem großen Faß gesucht?“ „Ei, rief die alte Frau, kommt und eßt, und laßt das Suchen bis Morgen, der Finger lauft euch nicht fort.“

Da ließen die Räuber vom Suchen ab, gingen und aßen und tranken, die Alte aber tröpfelte ihnen einen Schlaftrunk in den Wein, daß sie sich bald in den Keller hinlegten, schliefen und schnarchten. Als die Braut das hörte, trat sie hinter dem Faß hervor und mußte über die Schlafenden hinwegschreiten, die da reihenweis lagen, und hatte große Angst, sie mögte einen aufwecken. Aber Gott half ihr, daß sie glücklich durchkam, und die Alte stieg mit ihr hinauf und sie machten sich aus der Mördergrube hinaus. Die gestreute Asche war fortgeweht, aber die Erbsen und Linsen hatten gekeimt und waren aufgegangen, und zeigten ihnen beim Mondschein den Weg. Da gingen sie die ganze Nacht, bis sie Morgens in der Mühle ankamen. Das Mädchen aber erzählte seinem Vater alles, wie es sich zugetragen hatte.

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_208.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)