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seine Frau mit dem Kinde sehen; da fing die alte Mutter an zu weinen und sprach: „du böser Mann, was hast du mir geschrieben, daß ich die zwei unschuldige Seelen ums Leben bringen sollte!“ und zeigte ihm die beiden Briefe, die der Böse verfälscht hatte und sprach weiter: „ich habe gethan, wie du befohlen hast“ und wies ihm die Wahrzeichen, Zunge und Augen. Da fing der König an, noch viel bitterlicher zu weinen über seine arme Frau und sein Söhnlein, daß es die alte Mutter erbarmte und sie sagte: „gieb dich zufrieden, sie lebt noch: ich habe eine Hirschkuh heimlich schlachten lassen und von der die Wahrzeichen genommen, deiner Frau aber habe ich ihr Kind auf den Rücken gebunden und sie geheißen in die weite Welt gehen, und sie hat versprechen müssen, nicht wieder hierher zu kommen, weil du so zornig über sie wärst.“ Da sprach der König: „ich will gehen, so weit der Himmel blau ist und nicht essen und nicht trinken bis ich meine liebe Frau und mein Kind wiedergefunden habe, wenn sie nicht Hungers gestorben sind.“ Darauf zog er umher, an die sieben Jahre lang und suchte sie in allen Steinklippen, aber er fand sie nicht, und dachte, sie wäre verschmachtet. Er aß nicht und trank nicht in dieser ganzen Zeit, aber Gott erhielt ihn. Endlich fand er in dem großen Wald das kleine Häuschen, daran das Schildchen war mit den Worten: „hier wohnt jeder frei.“ Da kam die weiße Jungfrau heraus, nahm ihn bei der Hand und führte ihn hinein und sprach: „seyd willkommen Herr König!“ und fragte ihn, wo er herkäme. Er antwortete: „ich bin bald sieben Jahre herum gezogen und suche meine Frau mit ihrem

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_164.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)