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entfiel ihm der Eimer in den Brunnen, und es mit hinab, daß es sich nicht konnte mehr erholen, und da ersaufen mußte.




Frau Holle.


Eine Wittwe hatte zwei Töchter, davon war die eine schön und fleißig, die andere häßlich und faul. Sie hatte aber die häßliche und faule, weil sie ihre rechte Tochter war, viel lieber, und die andere mußte alle Arbeit thun und war recht der Aschenputtel im Haus. Es mußte sich täglich hinaus auf die große Straße bei einen Brunnen setzen und so viel spinnen, daß ihm das Blut aus den Fingern sprang. Nun trug es sich zu, daß die Spuhle einmal ganz blutig war, da bückte es sich damit in den Brunnen und wollte sie abwaschen, sie sprang ihm aber aus der Hand und fiel hinab. Weinend lief es zur Stiefmutter und erzählte ihr das Unglück, sie schalt es aber heftig und war so unbarmherzig, daß sie sprach: „hast du die Spuhle hinunterfallen lassen, so hol sie auch wieder herauf!“ Da ging das Mädchen zu dem Brunnen zurück und wußte nicht was es anfangen sollte und sprang in seiner Angst in den Brunnen hinein. Als es erwachte und wieder zu sich selber kam, war es auf einer schönen Wiese, da schien die Sonne und waren viel tausend Blumen. Auf der Wiese ging es fort und kam zu einem Backofen, der war voller Brot; das Brot aber rief: „ach! zieh mich ’raus, zieh mich ’raus sonst verbrenn’ ich, ich bin schon längst ausgebacken!“ da trat es


  1. Vorlage: 25 (Druckfehler. Siehe S. 440)
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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_129.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)