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Tag von Morgen bis Abend dabei gesessen. Als es nun allein war fing es an zu weinen und saß so drei Tage, ohne die Hand zu rühren. Am dritten Tage kam die Königin und als sie sah, daß noch nichts gespunnen war, verwunderte sie sich, aber das Mädchen entschuldigte sich damit, daß es vor großer Betrübniß über die Entfernung aus seiner Mutter Hause noch nicht hätte anfangen können. Das ließ sich die Königin gefallen, sagte aber beim weggehen: „Morgen mußt du aber anfangen zu arbeiten.“

Als nun das Mädchen wieder allein war, wußte es sich nicht mehr zu rathen und zu helfen und trat in seiner Betrübniß vor das Fenster. Da sah es drei Weiber herkommen, davon hatte die erste einen breiten Platschfuß, die zweite hatte eine so große Unterlippe, daß sie über das Kinn herunterhing, und die dritte einen breiten Daumen. Als sie vor dem Fenster waren, blieben sie stehen, schauten hinauf und trugen dem Mädchen ihre Hülfe an und sprachen: „willst du uns zur Hochzeit einladen, dich unser nicht schämen und uns deine Basen heißen, auch an deinen Tisch setzen, so wollen wir dir den Flachs wegspinnen und das in kurzer Zeit.“ „Ei, von Herzen gern, antwortete es, kommt nur herein und fangt gleich die Arbeit an.“ Da ließ es die drei seltsamen Weiber herein und machte in der ersten Kammer eine Lücke, wo sie sich hinein setzten und ihr Spinnen anhuben. Zwei, die eine zog den Faden und trat das Rad; die andere netzte den Faden, die dritte drehte ihn und schlug mit dem Finger auf den Tisch und so oft sie schlug, fiel eine Zahl aufs feinste gesponnenen Garns zur Erde. Vor der Königin verbarg sie die drei

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_078.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)