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herum. Die böse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hinein gegangen waren, die meinte nicht anders als Schwesterchen wäre von den wilden Thieren im Walde zerrissen worden und Brüderchen als ein Rehkalb von den Jägern todt geschossen. Als sie nun hörte, daß sie so glücklich waren und es ihnen so wohl ging, da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen reg und zwickten und nagten es, und sie hatte keinen andern Gedanken, als wie sie die Beiden doch noch ins Unglück bringen könnte. Ihre rechte Tochter, die häßlich war wie die Nacht und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwürfe und sprach: „Eine Königin zu werden, das Glück hätte mir gebührt!“ „Sey nur still, sagte die Alte und sprach sie zufrieden, wenn’s Zeit ist, will ich schon bei der Hand seyn.“ Als nun die Zeit heran gerückt war und die Königin ein schönes Knäbchen zur Welt gebracht hatte, und der König gerade auf der Jagd war, da nahm die alte Hexe die Gestalt der Kammerfrau an, trat in die Stube, wo die Königin lag und sprach zu der Kranken: „Kommt, das Bad ist fertig, das soll euch wohlthun und stärken, geschwind, eh es kalt wird.“ Ihre Tochter war auch bei der Hand und sie trugen die schwache Königin in die Badstube, legten sie hinein, gingen schnell fort und schlossen die Thüre ab. In der Badstube aber hatten sie ein rechtes Höllenfeuer angemacht, daß die schöne junge Königin bald ersticken mußte.

Als das geschehen war, nahm die Alte ihre Tochter und setzte ihr eine Haube auf und legte sie ins Bett an der Königin Stelle. Sie gab ihr auch die Gestalt und das Ansehen der Königin, nur

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_063.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)