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zu verbringen, oder wenn er herabkommt und diejenigen, vor denen er eben gezittert hat, verdächtigt und verkleinert, oder wenn er aus Verzweiflung oder Müdigkeit Briefe nicht gleich austrägt, und ihm anvertraute Botschaften nicht gleich ausrichtet? Das ist doch wohl keine Ehrfurcht mehr. Aber der Vorwurf geht noch weiter, geht auch gegen dich, Olga, ich kann dir ihn nicht ersparen. Du hast Barnabas, trotzdem du Ehrfurcht vor der Behörde zu haben glaubst, in aller seiner Jugend und Schwäche und Verlassenheit ins Schloß geschickt oder wenigstens nicht zurückgehalten.“

„Den Vorwurf, den du mir machst,“ sagte Olga, „mache ich mir auch, seit jeher schon. Allerdings nicht, daß ich Barnabas ins Schloß geschickt habe, ist mir vorzuwerfen, ich habe ihn nicht geschickt, er ist selbst gegangen, aber ich hätte ihn wohl mit allen Mitteln, mit Gewalt, mit List, mit Überredung zurückhalten sollen. Ich hätte ihn zurückhalten sollen, aber wenn heute jener Tag, jener Entscheidungstag wäre und ich die Not des Barnabas und die Not unserer Familie so fühlen würde wie damals und heute und

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Franz Kafka: Das Schloß. München: Kurt Wolff Verlag, 1926, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kafka_Schlo%C3%9F_356.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)