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wohnte. Kalte, jeden durchschauernde Nachtluft. Aber Schmar hatte nur ein dünnes blaues Kleid angezogen, das Röckchen war überdies aufgeknöpft. Er fühlte keine Kälte, auch war er immerfort in Bewegung. Seine Mordwaffe, halb Bajonett, halb Küchenmesser, hielt er ganz bloßgelegt immer fest im Griff. Betrachtete es gegen das Mondlicht; die Schneide blitzte auf; vielleicht nicht genug für Schmar; er hieb mit ihr gegen die Backsteine des Pflasters, daß es einen Funken gab; bereute es vielleicht; und um den Schaden gutzumachen, strich er mit der Schneide violinbogenartig über seine Stiefelsohle, während er, auf einem Bein stehend, vorgebeugt, gleichzeitig dem Klang des Messers an seinem Stiefel, gleichzeitig in die schicksalsvolle Seitengasse lauschte. Warum duldete das alles der Private Pallas, der in der Nähe aus seinem Fenster im zweiten Stockwerk das alles beobachtete? Ergründe die Menschennatur! Mit hochgeschlagenem Kragen, den Schlafrock um den weiten Leib gegürtet, kopfschüttelnd blickte er hinab. Und fünf Häuser weiter, ihm schräg gegenüber, sah Frau Wese, den Fuchspelz über ihrem Nachthemd, nach ihrem Manne aus, der heute ungewöhnlich lange zögerte. Endlich ertönt die Türglocke vor Weses Bureau, zu laut für eine Türglocke, über die Stadt hin zum Himmel auf, und Wese, der fleißige Nachtarbeiter, tritt, in dieser Gasse noch unsichtbar, nur durch das Glockenzeichen angekündigt, aus dem Haus; gleich zählt das Pflaster seine ruhigen Schritte. Pallas beugt sich weit hervor, er darf nichts versäumen; Frau Wese schließt, beruhigt durch

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Franz Kafka: Der Mord. In: Die neue Dichtung. Ein Almanach, Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1917, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kafka_Der_Mord_73.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)