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unterhaltend und lebendig geworden, wie noch nie. In den war es gefahren wie ein zündender Freudenfunke, als er den Ausspruch des Herrn Pfarrers vernommen hatte, und seither war ein neues Leben in ihm. Er wußte dem Silvio mehr zu erzählen als je, und nahm er seine Geige zur Hand, so kamen so herzerquickende Töne und Weisen daraus hervor, daß die Frau Menotti gar nicht mehr aus dem Zimmer weg mochte und sich nicht genug verwundern konnte, woher der Rico das alles nahm.

Rico hatte auch nur in dieser Stube rechte Freude an seiner Geige; in dem weiten, hohen Raum tönte es so schön und da war es so still und luftig, da war kein Tabaksqualm und kein Menschentumult, und er mußte nicht bei den Tänzen bleiben, sondern konnte spielen, was ihn freute. Mit jedem Tage kam auch Rico lieber in das Haus, und oft, wenn er eintrat, dachte er: so ist es wohl einem zumute, der heimkommt. Aber er war ja doch nicht daheim, er durfte nur für ein paar Stunden kommen und mußte immer wieder gehen.

In der letzten Zeit war aber etwas in den Rico gefahren, das die Wirtin manchmal in große Verwunderung setzte. Wenn sie etwa das schmutzige, zerbrochene Abfallbecken vor ihn hinstellte und sagte: „Da, Rico, bring es den Hühnern!“ – so stellte er sich etwas auf die Seite und legte die Hände auf den Rücken, zum Zeichen, daß er das Becken nicht berühren möge, und sagte ruhig: „Ich wollte lieber, das täte jemand anders!“

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Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_087.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)