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zur „Goldenen Sonne“ gehen, da verstehe der Wirt vielleicht die Sprache des kleinen Musikanten, denn er sei lange fort gewesen. Dem solle er sagen, er solle den Knaben über Nacht behalten auf ihre Rechnung und ihn auch morgen auf den rechten Weg stellen, wohin er müsse, er sei ja noch so jung – „nur ein paar Jahre älter als der meinige“, setzte sie mitleidsvoll hinzu –, und er solle ihm auch etwas zu essen geben.

Der Kleine aus dem Bett schrie wieder: „Er muß noch einmal spielen“, und ließ nicht ab, bis die Mutter sagte: „Er kommt ja morgen wieder, jetzt muß er aber schlafen und du auch.“

Der Bursche ging nun dem Rico voran, und dieser wußte nun wohl, wohin er komme, er hatte die Worte der Frau verstanden.

Es war gute zehn Minuten bis zum Städtchen hin. Da mitten in einem Gäßchen trat der Bursche in ein Haus und unmittelbar in eine große Wirtsstube ein, die war dick voller Tabaksrauch und eine Menge Männer saßen an den Tischen herum.

Der Bursche richtete seinen Auftrag aus, und der Wirt sagte: „Es ist gut“, und die Wirtin kam auch gleich herbei und beide sahen sich den Rico von oben bis unten an. Wie aber die Gäste, die am nächsten Tische saßen, die Geige sahen, riefen gleich mehrere von ihnen: „Da gibt’s Musik“, und einer rief: „Spiel auf, Kleiner, gleich, lustig!“ Und sie riefen alle so durcheinander, daß der Wirt kaum fragen konnte, was der Rico für eine Sprache rede und woher er komme. Rico antwortete nun in seiner Sprache, daß er über den Maloja heruntergekommen sei, und daß er alles verstehe, was sie hier sagen, aber nicht so reden könne.

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Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_063.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)