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auf einer Handelsreise begriffen, da konnte er's nicht übers Herz bringen, des Bübleins einziges Stück herzugeben, und er brachte es wieder zurück samt der Karte und sagte:

„Da, du kannst’s morgen noch besser brauchen; jetzt bist du noch bei mir und wer weiß, wie es dir nachher geht. Wenn du einmal da unten ankommst und ich nicht mehr bei dir bin, findest du dann auch ein Haus, wo du hinein mußt?“

„Nein, ich weiß kein Haus“, antwortete Rico. Der Mann hatte ein großes heimliches Erstaunen zu bewältigen, denn des Bübleins Geschichte kam ihm sehr geheimnisvoll vor. Er ließ aber nichts merken und fragte auch nicht weiter; er dachte, da komme er doch nicht ins klare; der Kutscher müsse ihm dann einmal Aufschluß geben, der wisse wohl mehr von allem, als das Büblein selbst. Mit diesem hatte er großes Mitleid, denn es mußte nun bald noch seinen Schutz verlieren.

Als das Schiff stillstand, nahm der Mann Rico an die Hand und sagte: „So verlier' ich dich nicht und du kommst besser nach, denn jetzt heißt's gut marschieren; die warten nicht.“

Rico hatte zu tun, den guten Schritten nachzukommen. Er schaute weder rechts noch links und auf einmal stand er vor einer langen Reihe ganz sonderbarer Rollwagen. Da stieg er auf einem Treppchen hinein, dem Begleiter nach, und nun fuhr Rico zum ersten Male in seinem Leben auf einer Eisenbahn. Nachdem man so eine Stunde lang gefahren war, stand der Schafhändler auf und sagte: „Jetzt kommt's an mich, da sind wir in Bergamo, und du bleibst ruhig sitzen, bis dich einer herausholt, denn ich habe alles eingerichtet, dann steigst du aus und bist da.“

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Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_058.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)