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Aber nun hielt auf einmal der Kutscher still, denn es mußte ein Halt gemacht und ein Mittagessen eingenommen werden. Als er den Rico hinunterschwang, hielt er ihm sorgfältig seine Kappe fest, denn da war all das Geld drin, und Rico hatte genug zu tun, seine Geige zu halten.

Der Kutscher war ganz vergnügt, als er die Kappe in Ricos Hand abgab und sagte: „So ist's recht, nun kannst du auch Mittag haben.“

Die Studenten sprangen hinunter, einer nach dem anderen, und alle wollten nun den Geiger sehen, denn sie hatten ihn nicht recht sehen können von ihrem Sitze aus, und als sie nun das schmächtige Männlein sahen, da ging die Verwunderung und die Heiterkeit erst recht wieder an; sie hätten der guten Stimme nach einen größeren Menschen erwartet, nun war der Spaß doppelt groß. Sie nahmen das Büblein in ihre Mitte und zogen mit Gesang ins Wirtshaus ein. Da mußte denn an dem schöngedeckten Tisch der Rico zwischen zwei der Herren sitzen und sie sagten, er sei nun ihr Gast, und legten ihm alle drei miteinander jeder ein Stück auf den Teller, denn keiner wollte ihm weniger geben, und ein solches Mittagessen hatte Rico in seinem ganzen Leben noch nie eingenommen.

„Und von wem hast du dein schönes Lied, Geigerlein?“ fragte nun einer von den dreien.

„Vom Stineli, es hat es selbst gemacht“, antwortete Rico ernsthaft.

Die drei sahen sich an und brachen in ein neues, schallendes Lachen aus.

„Das ist schön vom Stineli“, rief der eine, „nun wollen wir es gleich hoch leben lassen.“½

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Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_052.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)