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„Jetzt werd' ich noch Vorsinger mit meiner Zitterstimme“, sagte die Großmutter, aber sie sang ganz vergnügt einen Vers durch, und wenn die Stimme ein wenig zitterte, so war sie doch ganz richtig und Rico konnte ihr gut die Melodie abnehmen, er hatte sie auch vorher schon gehört.

Nun fingen sie an, und vor jedem Vers sagte die Großmutter den Kindern die Worte vor, und so sangen sie fröhlich alle miteinander:

„Ich singe dir mit Herz und Mund,
Herr, meines Herzens Lust.
Ich sing' und mach' auf Erden kund,
Was mir von dir bewußt.

Ich weiß, daß du der Brunn'n der Gnad'
Und ew'ge Quelle bist,
Daraus uns allen früh und spat
Viel Heil und Gutes fließt. –

Was kränkst du dich in deinem Sinn?
Und grämst dich Tag und Nacht?
Nimm deine Sorg' und wirf sie hin
Auf den, der dich gemacht.

Er hat noch niemals was versehn,
In seinem Regiment,
Nein, was er tut und läßt geschehn,
Das nimmt ein gutes End'.

Ei nun, so laß ihn ferner tun
Und red' ihm nicht darein,
So wirst du hier im Frieden ruhn
Und ewig fröhlich sein.“

„So“, sagte die Großmutter zufrieden, „das war ein rechter Abendsegen, jetzt könnt ihr in Frieden zur Ruhe gehen, Kinder.“

Empfohlene Zitierweise:
Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_038.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)