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den Riesen aufsuchen, der sich gewiß recht gefällig zeigen wird.

Mit einer leichten Verbeugung entfernten sich die jungen Herren, und die Schlange war zufrieden von ihnen loszukommen, theils um sich in ihrem eignen Lichte zu erfreuen, theils eine Neugierde zu befriedigen, von der sie schon lange auf eine sonderbare Weise gequält ward.

In den Felsklüften, in denen sie oft hin und wieder kroch, hatte sie an einem Orte eine seltsame Entdeckung gemacht. Denn ob sie gleich durch diese Abgründe ohne ein Licht zu kriechen genöthiget war, so konnte sie doch durch’s Gefühl die Gegenstände recht wohl unterscheiden. Nur unregelmäßige Naturproducte war sie gewohnt überall zu finden; bald schlang sie sich zwischen den Zacken großer Krystalle hindurch, bald fühlte sie die Haken und Haare des gediegenen Silbers, und brachte ein und den andern Edelstein mit sich an’s Licht hervor. Doch hatte sie zu ihrer großen Verwunderung in einem ringsum verschlossenen Felsen Gegenstände gefühlt, welche die bildende Hand des Menschen verriethen. Glatte Wände, an denen sie nicht aufsteigen konnte, scharfe regelmäßige Kanten, wohlgebildete Säulen, und, was ihr am sonderbarsten vorkam, menschliche Figuren, um die sie sich mehrmals geschlungen hatte, und die sie für Erz oder äußerst polirten Marmor halten mußte. Alle diese Erfahrungen wünschte sie noch zuletzt durch den Sinn des

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Das Mährchen. Aus: Goethe’s Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand. Funfzehnter Band. Stuttgart und Tübingen, Cotta’sche Buchhandlung. 1829, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Goethe_Werke_LH_15_220.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)