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VORWORT.

Mit diesem Buch kehre ich zu Arbeiten zurück, die ich vor fünfzehn Jahren unfreiwillig unterbrochen habe, aber mit andern Ansichten und Absichten. Damals veröffentlichte ich eine Studie über Sigismund Meisterlin als erstes Heft einer Arbeit über „Die humanistische Geschichtschreibung in Deutschland“ und sprach den Vorsatz aus, die Hauptmomente dieser Geschichtschreibung in einzelnen in sich abgeschlossenen Monographien zu schildern.

Ich habe erkennen müssen, daß ich auf diesem Wege schwer oder gar nicht dazu gelangt wäre, eine Gesamtdarstellung der humanistischen Geschichtschreibung zu bieten, da die wiederholte Betrachtung von Einzelheiten den Einblick in den Zusammenhang gestört hätte und die größeren Gesichtspunkte der Betrachtung in jeder Monographie hätten wiederkehren müssen.

Ich wage also jetzt einen Wurf grade nach dem Ziele und versuche aus der Masse der humanistischen Geschichtschreibung Männer und Werke herauszugreifen, die mir für die einzelnen Richtungen kennzeichnend erscheinen, und diese Richtungen zu bestimmen.

Freilich scheint es, als ob heute noch vor solchem Unternehmen warnend die Worte stehen, mit denen Ranke 1824 im Vorwort seiner Abhandlung Zur Kritik neuerer Geschichtschreiber die Behandlung von Fragen ablehnt, die den Fortgang der Historiographie, die zusammenstimmenden Prinzipien einzelner Schriftsteller betreffen. „Der Weg der leitenden Ideen in bedingten Forschungen ist ebenso gefährlich als reizend: wenn man einmal irrt, irrt man doppelt und dreifach; selbst das Wahre wird durch die Unterordnung unter einen Irrtum zur Unwahrheit.“

Sicherlich ist davon heute noch vieles gültig, und wer doch auf diesem Gebiete arbeitet, der muß eben den Mut des Irrtums haben.