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So darf man wohl sagen, daß Cuspinians Kaiserbuch der historische Ausdruck der politischen Ideen Maximilians geworden ist. Man sieht nun auch, was ihn trieb, sich von den Consules des Cassiodor bis zur Gegenwart durchzuringen. Maximilian ist ihm der Inbegriff all der Tugenden, die er einzeln bei früheren Herrschern gefunden hatte, er ist insbesondere als Kriegsmeister die Vollkommenheit selbst, von den Nachkommen wie eine polykletische Statue zu verehren: Regnandi norma hic posteritatis erit schließt sein letztes Tetrastichon.


Blicken wir von dem Buche Cuspinians zurück zu den Fürstenspiegeln der Braunschweigischen Reimchronik, Levolds von Northof und Ludwigs von Eyb, so sehen wir, welche Entwicklung die Gattung genommen hat. Die Weite des historischen Blicks und die Gestaltungskraft haben gleichmäßig zugenommen, die Lösung des biographischen Elements aus dem chronikalen Zusammenhang und aus der Notizensammlung ist bewußt angestrebt, wenn auch nicht immer gelungen, die Aufgaben eines historischen Charakterbildes sind, wenn auch in der rohen Form rein moralischer Urteile erkannt.

Ist dafür nichts verloren gegangen? Ich meine, es wird wenige Leser geben, die nicht gerne von dem Folianten Cuspinians wieder zu dem dürftigen Latein Levolds oder zu der ungelenken deutschen Prosa Eybs zurückkehren. Denn so viel höher der Humanist über seinem Stoff steht als jene, so viel tiefer steht er unter seinem Fürsten. Wenn Cuspinian die Jagdleidenschaft Maximilians, seine Ausgaben für Meuten und Falknerei gegen allerlei Tadel rechtfertigen will, dann sagt er, das sei eben die Leibesübung der Fürsten, die nicht auf Plätzen und Straßen spazieren gehen könnten, wie das gemeine Volk, um sich Hunger zu machen. Und man merkt überall, daß er sich auch zu dem gemeinen Volke rechnet, das seinen Fürsten weit über sich sieht. Auch als Staatsmann ist Cuspinian doch nur der Diener seines Kaisers gewesen, und Maximilian hat so wenig wie irgend ein anderer deutscher Fürst seiner Zeit unter den Humanisten den Geschichtschreiber gefunden, der, wie es Commines für Karl VIII. und Ludwig XII. tat, seine Politik hätte erfassen und zugleich beurteilen können.


Cuspinians liebenswürdigstes Werk ist seine Austria geworden, die er, wie seine großen Arbeiten, unveröffentlicht hinterlassen hat. Man kann sie zu den Landesbeschreibungen stellen, die als Teilausführungen