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Quellen für Karl den Großen – auch die Neoterici, die er doch bei Tiberius mit Absicht fortgelassen hat, werden hier empfohlen – und die Fabel von der Entstehung der Turniere unter Heinrich I. hat er aus der 1518 gedruckten Quelle des berühmten Rixnerschen Fabelbuchs noch nachträglich seiner Biographie des Königs angeflickt.[1]

Aber trotzdem ist sein Kaiserbuch nicht nur durch den Umfang des behandelten Stoffes etwas ganz anderes geworden als das Peutingers. Was er über die Lex Salica sagt, zeigt, daß er diesen Quellen nicht viel mehr Verständnis entgegenbringt als Otto von Freising.[2] Auch die Begründung der Darstellung auf Inschriften, Münzen und Urkunden hat er fast ganz unterlassen, obgleich er auch hier ein guter Kenner ist und die Beachtung dieser Dinge lebhaft empfiehlt.[3] Aber Cuspinian weiß, was er will, und bleibt nicht im Stoffe stecken. Das Genealogische ist ihm kaum weniger wichtig als Peutinger – er bekennt sich als Schuldner der Sammlungen Suntheims[4] und hat selbst im Wetteifer mit Stabius an einem österreichischen Stammbaum gearbeitet[5], in die Reihe der italienischen Kaisertyrannen des 10. Jahrhunderts rühmt er sich zuerst Ordnung gebracht zu haben[6] – aber es drängt sich ihm nicht in die Darstellung ein, wie in Peutingers Zusätzen gar oft, und vor allem, es wiegt nicht vor. Sein Werk sollte in erster Linie das werden, was sich die Zeitgenossen von der ganzen Gattung erwarteten, ein Fürstenspiegel[7], der an Augustus zeigte, wie sich Glück im Reiche und Unglück im Hause verketten, an Konstantin lehrte, wie Gott dem gerechten Herrscher gegen seine Feinde hilft, an Julian die Einflüsse der Erziehung aufwies, an Karl dem Dicken den plötzlichen Glücksumschwung vor Augen stellte, bei Ludwig dem Frommen und Heinrich IV. kindliche Undankbarkeit geißelte. Für ihn zerfallen alle Fürsten in gute und schlechte, und damit der Leser die Meinung ja merke, hat er jeder Biographie noch ein Tetrastichon angehängt, das sie in Denkversen zusammenfaßt. Die Anregung dazu gab ihm Ausonius, der die Kaiser bis Heliogabal also besungen hatte. Er hat das dann crassiore Minerva fortgesetzt; zunächst für alle, später aber, wiederum aus pädagogischen Gründen[8], nur für die römischen Kaiser; der einzige Ludwig der Stammler bleibt unbedichtet, „quod ob brevitatem temporis quo imperavit, nec virtutibus nec vitiis nobilis neque bonis neque malis Caesaribus est annumerandus“.

Wen er freilich – mit Ausnahme des nicht zu rettenden Wenzel – unter den deutschen Kaisern zu den schlechten rechnet, dürfte nicht leicht zu sagen sein. Selbst bei Karl IV. hat er die bitteren


  1. [296] 72) Er spricht von einem peculiare opusculum de hac re impressum, patria lingua scriptum. – Cuspinian ist also der erste nachweisbare Benutzer dieser Schrift, noch vor Franck, den Waitz, Jbb. d. dtn. Reichs unter Heinrich I3, S. 265 ff. nennt.
  2. [296] 73) Vgl. Cuspinians Caesares 263 mit Otto Frising. Chronica IV, 32.
  3. [296] 74) Caesares 153,42 beschreibt er eine Münze des Heraklius, die ihm sein Freund Gremper geschenkt hatte, und fügt hinzu: Haec ne perirent, etiam illuc studiosis adieci, ut si similia invenirent, non occultarent, ut faciunt βιβλιόταφοι. Ob Cuspinian auch Fuchswags Münzsammlung geerbt hat, wie meist berichtet wird, ist fraglich, s. Gottlieb, Ambraser Handschriften I, 46. In der Vorrede zu seiner Ausgabe des Marbodeus Gallus De lapidibus pretiosis (Wien 1511) wendet er sich an den auch als Freund des Celtis bekannten Propst Augustin von Olmütz [297] und Brünn und sagt von ihm, er besitze Caesarum consulumque ac regnum vetustissima nomismata, quibus apud nostrates nemo est te ditior.
  4. [297] 75) Caesares 486: qui me testamento haeredem suorum laborum scripsit, e quibus etiam in hoc volumine haud pauca congessi. Vgl. Laschitzer l. c. 4. In dem Testament Suntheims vom 29. Juli 1512, das wir haben (s. den Abdruck in Hormayrs Archiv f. Gesch. 1827 S. 354), setzt Suntheim aber den Kaiser zum Erben seiner „Historien, Cronikhen und anders, so ich mein Lebenlang im Namen der kaiserlichen May. trewlichen gemacht und zusammenpracht hab.“ Max wird sie also wohl Cuspinian für das Kaiserbuch ausgefolgt haben.
  5. [297] 76) Caesares 355: Sed vide, o lector, quemadmodum ex hoc Rudolpho domus nobilissima . . . per novem generationes creverit, aucta sit et propagata, ut interim ex ea veluti equo Troiano innumeri prodierint principes ac gloriosissimi duces, Caesares autem septem, de quibus omnibus Iohannes Stabius . . . nobilissimam et pulcherrimam propagationis et genealogiae arborem depinxit, quae impressa circumfertur, quamquam et nos quondam scripserimus, ab eo praeventi.
  6. [297] 77) S. dazu Vadians Dte. Schriften ed. Götzinger III, 160.
  7. [297] 78) Gerbels Vita: Quid vero regibus, quid principibus, quid rerum publicarum gubernatoribus magis expetendum, quam ut se in his Caesaribus tamquam in speculo intueantur? S. dazu Cuspinians eigene Bemerkung Caesares 424,9 ff.
  8. [297] 79) Caesares 135: Nunc vero (bei Zeno) omisso priori instituto, tetrasticha in Constantinopolitanis ac Orientalibus Imperatoribus dimittamus, ut hoc signo iuniores libro aperto Romanos Caesares a Graecis distinctos intelligant.