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findet er Sigebert und Otto, und er fügt zu diesen noch die Vita des Kaisers, „quam Ioannes meus Aventinus Reginoburgii in aede divi Hemerani reperit ac publicavit in studiosorum commodum cum epistolis quibusdam ad regem Franciae, principes et episcopos. Quae profecto studiosis sunt legendae, ut res gestas agnoscant“.

Man sieht, wie viel freier er zu den Quellen steht als auch noch Nauklerus. So ist es auch mit seiner Polemik gegen die Italiener, die ihm bei den Staufern in den Weg traten. Sie sind ihm keine gewichtigen Autoritäten mehr, die man gelehrt widerlegen muß, und zumal den neuesten Vertreter des italienischen Patriotismus, Georg Morula, der es mit ihm schon durch seinen Tadel über Rudolf von Habsburg verdorben hat, behandelt er mit spöttischer Verachtung.[1] Auch sonst ist er nicht leicht gewillt, sich einer Autorität gefangen zu geben. Es nimmt ihn gegen Biondo schon ein, daß dieser den Jordanes ausschreibt, auch Leto scheint ihm stark den Ammian nachzuahmen. Bei der Erörterung des Deutschtums Karls des Großen meint er, Lupold von Bebenburg wie so manche Neueren hätten sich viel vergebene Mühe gegeben, eine Einigung der verschiedenen Angaben zu erzielen. Für ihn liegt die Sache einfach. Mögen die Franken immerhin aus den mäotischen Sümpfen gekommen sein, so haben sie sich am Rhein mit Germanen wie mit Galliern vermischt, von beiden Sitten und Sprache angenommen, und Karl ist eben ein germanischer Franke. Man sieht, warum ihn bei dieser Ansicht, die sich merkwürdig mit der des Jordanus von Osnabrück berührt, Tritheims Hunibald wenig stört, trotzdem er sonst gegen erlogene Stammbäume scharf sein konnte. Zumal den Aufstellungen der Juristen bringt er gründliches Mißtrauen entgegen, sie sind überhaupt nicht seine Freunde, und selbst der gelehrte Alciat muß darunter leiden.[2]

Man darf nun freilich aus diesen kritischen Prinzipien Cuspinians noch nicht auf seine eigene Praxis schließen. Trotzdem er offenbar eine selbständige Darstellung erstrebt, ist er doch seinen Quellen auf weite Strecken treulich gefolgt, und Biondo, Platina und selbst Egnatius haben ihm mehr dienen müssen, als er uns glauben macht. Auch darf man von ihm nicht fordern, daß er, wo ihm zwei Autoren wie Widukind und Liutprand vorliegen, den treueren Bericht erkenne; sein Bild König Konrads I. ist vor allem deshalb so verzeichnet, weil er den italienischen Deklamator bevorzugt hat. Die meisten Fabeln, die Peutinger der Aufnahme wert fand, bringt auch er. Turpin erscheint, wenn auch mit einem licet pleraque fabulose, unter den


  1. [296] 71) Er hatte Rudolf ignavus genannt, s. Caesares 351,50, anderes über Merula 312,26, 327,28 und 367,39.
  2. [296] 71a) S. die interessante Stelle über Justinian Caesares 141: Legum enim conditor maximus, confusas omnes in epitomen redegit, supervacua et inutilia resecans, quum prius incondita et sparsa civilis illa iuris corpulentia obrueret magis studia quam iuvaret. In quinquaginta Digestorum libros singula contraxit et quatuor Institutionum libros compressit ac Codicem insuper tanquam coronidem adiecit, usus opera Ioannis patricii, Triboniani, Theophili, Dorothei, in quo nescio maiorem laudem an detrectationem commeruerit. Nam quot egregia Pauli, Modestae, Scaevolae aliorumque infinitorum docta volumina interiisse credis? qui profecto singularum rerum materiam procul dubio adamussim interpretati sunt, adeo ut neque Bartoli neque Baldi neque Porci neque Saliceti commentationibus opus fuisset, qui etiam contra Iustiniani edictum iam orbem libris suis repleverunt, ut nulla aetas satis sit ad hos perlegendos sufficiens. Sed cum Iustinianus esset analphabetos (utpote a Iustino patre suum olim custode progenitus) et omnium literarum ignarus, facile a quovis decipiebatur fraudulento et doloso: qualis erat Tribonianus adulator, ut inquit Suidas, fraudulentissimus, simul et avarissimus, omnis religionis, praesertim Christianae, contemptor, quaestor Iustiniani . . . Ideo facile potuit indocto regi imponere, qui tanta inconstantia levitateque leges tot contrarias posuit, quas posteri, licet anxie inter se digladientur, nunquam tamen concordare possunt. – Dazu ist die Charakteristik Justinians bei Huttich und die Urteile von Bebel und Cochläus heranzuziehen, s. o. V78. – Auch für das, was Cuspinian über Maximilians Abneigung gegen die Juristen sagt (vgl. Ulmann II, 7333), wird man seine eigene zu beachten haben.