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dem angestrebten monumentalen Charakter der Biographien erklären dürfen. Peutinger zeigt vielmehr auch hier die Unentschlossenheit der Meinung, die in seinen theologischen Ausarbeitungen so unangenehm auffällt, die Vorsicht, die bei anderer Gelegenheit Ellenbog erfahren mußte, als er ihn bat, die Chronik seines Vaters, die allerlei Scharfes über die jüngste Vergangenheit enthalten zu haben scheint, herauszugeben.[1] Daß er staufisch denkt, ist natürlich, wir wissen das überdies aus den Randbemerkungen, mit denen er seine Exemplare des Jakobus von Bergamo und des Gaguin versah, aber im Kaiserbuch hat er bei der Erzählung vom Kreuzzug Friedrichs II., die er im übrigen nach Burkard von Ursperg gibt, dessen markige Schlußworte fortgelassen[2], und beim Konzil von Lyon bringt er es nur zu einer schüchternen Parenthese zu Gunsten des Kaisers[3], obgleich er die Briefe des Petrus de Vineis besaß und studiert hatte.[4] Was hätte wohl Hutten zu Peutingers Werk gesagt, der schon mit dem vorsichtig abwägenden Urteil des Egnatius über den Streit zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. so unzufrieden war?

So hätte Peutingers Kaiserbuch, auch wenn es vollendet und gedruckt worden wäre, seinen Ruhm kaum vermehrt. Und mir scheint, daß es auch den Vergleich mit den Caesares des Cuspinian nicht aushalten kann. Hier war vielleicht weniger gewollt, aber eben deshalb mehr geleistet.

Johannes Cuspinianus[5] ist sicherlich die hervorragendste Erscheinung in dem Kreise der Maximilianischen Hofgeschichtschreibung, zugleich ein Vertreter der humanistischen Vielseitigkeit, wie sie Deutschland doch seltener als Italien sah. Arzt im Hauptberufe ist er auch Staatsmann, Redner, Philolog und Historiker und nirgendwo nur Dilettant. Seine entscheidenden Anregungen erhielt er in dem Wiener Freundeskreise des Celtis, dem er 1508 auch die Trauerrede hielt. Er war sein Landsmann und hat – wie Celtis selbst – sich oft der ostfränkischen Heimat gerühmt[6], alle Interessen des Celtis sind auch die seinigen geworden.

Insbesondere hat er von ihm gelernt, Länder und Völker mit historischem Blick zu sehen und Zeugnisse aller Art als historische zu schätzen, auch die Gedichte der Hrotsuita und den Ligurinus und das Epos vom Sachsenkrieg, Erzeugnisse, die ihm zwar immer noch etwas nach jenen barbarischen Zeiten schmecken, wo man es besser verstand, der Aufzeichnung Wertes zu tun als Getanes aufzuzeichnen, die ihm aber doch unverächtliche Quellen sind.[7]


  1. [293] 56) S. die Briefe hinter Zapfs Ausgabe der Sermones convivales 150 ff. Peutinger tadelte die Ausfälle auf Karl VIII. von Frankreich und die Schweizer und – wohl mehr als Vorwand – die Einfügung deutscher Ortsnamen in den lateinischen Text.
  2. [293] 57) Es fehlen die Worte: Quis talia facta recte considerans non deploret et detestetur, quae indicium videntur et quoddam portentum et prodigium ruentis ecclesiae (SS. XXIII, 383, 22 f.).
  3. [293] 58) Man vergleiche dagegen unten Cuspinian. Zu den Worten, der Papst habe das delictum des Kaisers persönlich vorgetragen, setzt er si quod admisit Caesar.
  4. [293] 59) Sein Exemplar ist jetzt Cod. F. 246 der Stuttgarter Bibliothek.
  5. [293] 60) Für das Biographische Aschbach, Geschichte d. Wiener Universität II, 284–309 und Horawitz in ADB. IV, 662 ff., beide dürftig und schon aus Cuspinians eigenen Schriften zu ergänzen. Die Daten der Jugendgeschichte jetzt berichtigt von Bauch in AHessG. N. F. V, 36 ff. Als Übersicht brauchbar Haselbach, Johann Cuspinan als Staatsmann und Gelehrter. Programm Wien 1867. Neuausgabe des „Tagebuchs“ Cuspinians [es ist ein Hauskalender wie bei Aventin] mit guten Erläuterungen von Ankwicz in MIÖG. XXX, 280 ff. Das Familienbild Bernhard Striegels [Berlin] abgebildet bei Janitschek, Geschichte der deutschen Malerei 441. [294] Eine einigermaßen ausreichende Würdigung seiner wissenschaftlichen Tätigkeit fehlt. – Die zwei Hauptwerke, Caesares und Consules, hat sein Schüler Nikolaus Gerbel 1540 und 1552 veröffentlicht, den Caesares hat er eine nicht unwichtige Vita Cuspinians vorausgeschickt, auch das Vorwort Christoph Scheurls an Karl V. ist von Interesse. (Zu diesem ein erster Entwurf mit interessanten Abweichungen in Scheurls Briefbuch II, 240. Zur Ausgabe selbst der Brief II, 225 und für die erste Bekanntschaft I, 146.) Die Caesares-Ausgabe Gerbels aber ist durch Druck- und Lesefehler fast unbrauchbar, viel besser ist die, welche Wolfgang Hunger (s. über ihn Riezler, Gesch. Baierns VI, 412 ff.), vorbereitet und Albert Reyffenstein 1561 veröffentlicht hat. 1553 erschien durch Brusch die Austria mit den Türken-schriften (a. Horawitz, Bruschius 135 f.). – Ich zitiere nach der Ausgabe Frankfurt 1601 typis Wechelianis, die in drei Bänden alle diese Schriften wiederholt. – Zur Entstehungsgeschichte der Caesares notiere ich Folgendes: Cuspinian erwähnt sie bereits 1512 als fertig (Reuchlins Briefwechsel 169, ebenso an Jacob de Banissis s. Laschitzer im Jahrbuch VII, 46) und bemerkt, daß er gerade an den Consules ex Cassiodoro arbeite. (S. auch Vadians Briefwechsel I, 90, wo Peter Eberbach sich Oktober 1511 nach der bevorstehenden Edition erkundigt.) In der Ausgabe der Panegyrici latini 1513 spricht dann sein Neffe Georg Cuspinian von seinem opus de consulibus et caesaribus Romanis usque ad nostra saecula, quod ad finem iam pene deduxit. 1515 aber erklärt Cuspinian in der Vorrede zum Otto von Freising, erst noch die andern Quellenschriftsteller herausgeben zu wollen, um seine Darstellung vor unberechtigten Angriffen zu schützen, und weist noch 1522 Scheurl, als dieser ihn zur Herausgabe auffordert, scharf ab (s. die Widmung Scheurls an Karl V.), trotzdem damals Consules und Caesares „iam bene absoluti“ waren [Aschbach II, 3061]. Als ihm aber 1525 bei dem großen Brande von Wien sein Haus eingeäschert wurde und er weiteres Unglück erlitt, dachte er schon aus finanziellen Gründen an die Veröffentlichung. Ein großer Brief an Pirckheimer (1526 nov. 25 Pirckheimeri Opp. ed. Goldast 252 ff.) gibt darüber Aufschluß. Danach bestand damals das Werk aus drei Teilen, den Consules, einer Kaisergenealogie und einer Kaisergeschichte. Cuspinian wünschte den Druck durch Koberger und dachte an eine Dedikation des ersten Teils an den Nürnberger Rat, „quia ante aliquot annos hinc prodierit Chronica mundi (Schedels Weltchronik), a quo merito discere possunt et duces et principes, imo et reges, quo pacto sint habenae nectendae [in(?) populum sibi subditum (der Text ist verderbt)], praesertim hoc nostro saeculo“. Pirckheimers Antwort (bei Hase, Die Koberger, Briefbuch CLI) schlug all seine Hoffnungen nieder (sein Brief vom 25. Januar 1527 l. s. c. 257). Ein Auszug, den er nach Hase, Koberger 173 hat erscheinen lassen, ist mir nicht bekannt geworden. Doch muß er bis zu seinem Tode 1529 an beiden Werken fortgearbeitet haben, daher die häufigen Verweisungen von einem auf das andere und Gerbels Irrtum, der die Consules in der Vita für das frühere Werk erklärt. (Einzelne Daten in den Caesares selbst, z. B. 56,26 Proximo anno cum haec scriberem, cum orator Caesaris Maximiliani ad Vladislaum regem Hungariae ivissem (1515?), 355,36 zu 1520, 465,59 zu 1521. Die Vita Maximilians ist 1522 geschrieben, s. S. 484 f.) 1528 erklärt er in der Austria (S. 56), daß er propediem edieren will. Dazu ist er nicht mehr gekommen, doch hat er die Einschaltung der Genealogie in das Kaiserbuch wohl noch selbst vorgenommen. – Für die Quellenuntersuchung sind weder Cuspinians eigene Angaben noch Gerbels Zusammenstellung vor seiner Ausgabe genügend. [295] Gerbel hat gerade für uns interessante Dinge, z. B. die Benutzung des Hermannus Contractus und seines Fortsetzers Berthold übergangen, ebenso die Erwähnung der beiden Viten Heinrichs II. Anderes zitiert Cuspinian selbst nur als Annales vetustissimi; ich merke an, daß 253,22 ff. wahrscheinlich die Casus S. Galli Ekkehards benutzt sind. Wer ist der Albertus Monachus, dessen Annalen er 398,32 als zeitgenössische Quelle für das Basler Konzil zitiert? Über Handschriften aus seinem Besitz s. Mommsen in MG. Auct. ant. V, 1, p. LII Iordanes Chronicon und p. LX und LXI zwei Handschriften der Getica, eine davon früher im Besitze Fuchswags.
  6. [295] 61) S. die Abschweifungen Caesares 280,43; 313. Er hat auch eine Beschreibung der Heimat geplant Austria 55.
  7. [295] 62) Caesares 243 über Roswitha, 283 über das Carmen de bello Saxonixo, 327 über den Ligurinus. Auch über die Tötung des Herzogs Friedrich von Braunschweig, des angeblichen Thronkandidaten von 1400, hat er (p. 399) Verse, von denen er sagt: Circumferuntur rythmi vulgares, non admodum latini ac elegantes, sed veritatem exprimentes ac syllabis quibusdam nomen Friderici notantes, eins sepulchro inscripti. Qualescunque tamen sint, cum Romanos non puduit aliquando Ethruscorum et Oscorum inserere nomina, subiunxi. Quandoquidem tempora his in terris non aliam ferebant elegantiam.