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etwas mehr hervor, als die Bistumseinteilung des eroberten Sachsens und die Aufzählung der von ihm überall errichteten Klöster und Kirchen, bei Friedrich Barbarossa nehmen die territorialen Veränderungen von 1180 den Hauptplatz ein.

Dabei aber steht seine Darstellung, obgleich sie Knappheit erstrebt, dennoch allen Fabeleien offen, die er am Wege findet. Er bringt nach Turpin den Zug Karls des Großen ins heilige Land, bei Otto I. fabelhafte Züge über seine Frömmigkeit, bei Otto III. nach Gottfried von Viterbo die Geschichte von seiner unkeuschen Gemahlin Marie von Aragon, bei Heinrich II. eine merkwürdige Anekdote von seiner Lahmheit[1], läßt Heinrich III. trotz Nauklerus von einem Grafen von Calw stammen und hat wenigstens in sein erstes Konzept aus Vinzenz von Beauvais das Histörchen aufgenommen, daß sich Heinrich V. nach Cluny zurückgezogen habe.

Auch in einem anderen Punkte bereitet das Kaiserbuch eine Enttäuschung. Wir haben von Peutinger juristische Gutachten, in denen er sich aus Anlaß der bevorstehenden Kaiserwahl von 1519 eingehend über die deutschen Kronrechte geäußert hat, insbesondere über die Frage, inwieweit die kaiserlichen Rechte von der Krönung durch den Papst abhängig seien.[2] Auch im Kaiserbuch sieht man das Interesse für diesen Gegenstand durchblicken. Aber was Peutinger wirklich bietet, ist erstaunlich wenig. Man muß schon jene Gutachten heranziehen, um zu merken, daß er die angebliche Constitutio de expeditione Romana von 790 wohl hauptsächlich deshalb in das Kaiserbuch aufgenommen hat, um zu zeigen, daß Karl schon vor 800 kaiserliche Rechte in Italien geübt habe, und daß die Notiz des Kaiserbuchs bei Otto III., die Kurfürsten seien von ihm adsentiente Gregorio V. eingesetzt worden, eine Spitze gegen die päpstliche Theorie haben soll. Die Bemerkung, die er in einem dieser Gutachten gelegentlich hinwirft, daß Hermannus Contractus von der ganzen Sache nichts wisse, hat jedenfalls im Kaiserbuch keine Früchte getragen.

Noch weniger bietet er dann in dem eigentlich kirchenpolitischen Streite. Auch hier ist sein Interesse zweifellos, er bringt das Wormser Konkordat und fügt sogar einen ganz klaren Exkurs über die Investitur an.[3] Aber bei den Papsteinsetzungen Heinrichs III. steht er im wesentlichen auf dem Standpunkt Platinas[4] und bei Heinrich IV. sucht man vergeblich eine deutliche Vorstellung des Konflikts.[5]

Nimmt man dazu, daß er auch unter Barbarossa über den Frieden von Venedig mit einer fast nichtssagenden Bemerkung hinweggeht, so wird man diese Haltung nicht aus einem Zufall, auch nicht aus


  1. [293] 51) Verum cum rediret (ex Italia), capitur et ex arce, qua custodiebatur, saltu fugam quaesivit, cadendo lumbos frangens, liberum se faciens claudus tamen permansit. Die Geschichte steht in den Ann. Palid. (SS. XVI, 66), aber nicht zum italienischen Feldzug. Es scheint eine Kontamination mit der Vita des Adalbert [SS. IV, 817 f.] vorzuliegen.
  2. [293] 52) S. das DRA. Jüngere Reihe I, 629 gedruckte Gutachten und ein zweites in 2° Aug. 403 der Augsburger Stadtbibliothek f. 65 ff.
  3. [293] 53) Modus ab Imperatoribus Caesaribus Augustis investiendi episcopos et abbates hactenus observatus, sicut compertum legimus, erat, quod defuncto episcopo vel abbate capitulum vel conventus insigne praelati, baculum et anulum, Caesari Augusto transmittebant, qui postulantibus episcopum vel abbatem designabat. Ea ambitionis causa illustres et clara familia geniti quosque fortuna blandius amplectabatur, apud Caesares Augustos privilegio vicecapellanorum donati sua impensa degebant.
  4. [293] 54) Er hat als Grund für die Einsetzung der deutschen Päpste durch den Kaiser: mali enim avaritiae studio dediti pontifices maximi electionis libertatem tunc amiserant.
  5. [293] 55) Gregor verdammt ihn, quod eius admonitionibus non acquievisset, vel ut plerique scribunt, non confessum nec etiam convictum.