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wie die Divisio imperii von 806 und die Exauctoratio Ludwigs des Frommen von 833 kennt und richtig verwertet,[1] muß er sich bei Heinrich IV. bereits mit den Dokumenten begnügen, die Ekkehard[2] und Platina ihm boten, und auch hier hat er so Bedeutsames, wie die promissio Canusina, die er bei Platina fand, fortgelassen.

Seine Art zu arbeiten sieht man gut an der Benutzung der Kapitulariensammlung des Ansegisus. Hier hat er von vornherein nur notiert, was das Verhältnis der geistlichen und weltlichen Gewalt betrifft – man sieht, daß er diesem sein Hauptinteresse zuwendet, – dann aber muß er bemerkt haben, daß mehrere dieser Stücke auch im Corpus iuris canonici stehen, und nun hat er in seinen ursprünglichen Exzerpten alles wieder gestrichen, was ihm hier nicht begegnete, dafür aber aus dieser neuen Quelle eine Stelle aus einem Brief zugesetzt, den Papst Nikolaus I. nach seiner Meinung an Ludwig den Frommen geschrieben haben sollte.

Wie hier, so bleiben auch sonst seine chronologischen Anschauungen trotz aller Bemühungen unsicher. Er kennt, wie manche seiner Zeitgenossen,[3] das Gebetbuch Karls des Kahlen in Regensburg und teilt die Inschrift daraus mit, aber er schwankt zunächst, ob er sie nicht zu Ludwig dem Frommen schreiben lassen soll. Ebenso hat er bei Friedrich I. und Friedrich II. dasselbe „Epitaphium in Tyro“[4]. Er meint, Heinrich V. sei von seinem Vater auf Rat Gregors VII. abgefallen und läßt auf den Kreuzzug Friedrichs II. mit einem postea den Handel mit Friedrich dem Streitbaren von Österreich folgen, trotzdem er für beide Ereignisse die richtigen Jahreszahlen 1229 und 1237 hat. Das zweijährige Interregnum zwischen Heinrich II. und Konrad II., das seit Platina alle Darstellungen boten, hat er trotz aller urkundlichen Beifügungen nicht beseitigt[5] und in der Geschichte Heinrichs IV., die ihm doch wiederum bei Platina leidlich geordnet vorlag, eine fast unglaubliche Verwirrung angerichtet.

Man wird kaum daran zweifeln können, daß diese Mängel ihren Grund nicht in dem Zustand des Manuskripts, sondern in der Unfähigkeit Peutingers zu wirklicher Geschichtschreibung haben. Er verfügt, wie das bei der Ausdehnung seiner literarischen Beziehungen natürlich war, auch über ein bedeutendes chronikales Quellenmaterial: er kennt für Karl den Großen Einhard und die Reichsannalen, für Ludwig den Frommen Thegan, für die späteren Karolinger Regino, dann Hermannus Contractus, Ekkehard, Otto, Burkard von Ursperg. Aber an der schweren Aufgabe, aus diesen Quellen nun das Wichtige herauszuheben, ist er gescheitert. Bei Karl dem Großen tritt kaum


  1. [292] 46) Für Ansegisus muß er eine Handschrift benutzt haben, die mit den bei Boretius (M. G. LL II, 1, 391) unter nr. 27 und 28 bezeichneten verwandt war. – Besonders bemerkenswert ist, daß er die Exauctoratio, für die jetzt keine Hss. mehr existieren, aus einem Thegankodex des Klosters S. Peter bei Konstanz haben will. Er bemerkt am Schluß: Idem Thegani (!) haec non ut imitanda, sed tamquam impia, exitialia prorsusque respuenda et abicienda se referre profitetur. Das steht in unsern Thegantexten nicht; daß Peutinger aber Thegan wirklich kennt, zeigen seine Zitate über das Lügenfeld und in dem Abschnitt de uxoribus et filiis Ludowici. Er nennt ihn da archiepiscopus Treverensis, vor der exauctoratio richtig corepiscopus Treverensis. Die exauctoratio hat er auch in dem jetzt Stuttgarter Kodex F 243 kopiert. – Die Divisio imperii kennt er in der von Boretius l. c. II, 1, 126 mit 3. 4 bezeichneten Rezension. Auch dafür ist er jetzt unsre älteste schriftliche Vorlage.
  2. [292] 47) Er kennt und zitiert ihn ebenso wie Cuspinian als Abbas Urspergensis, s. den Druck von 1515.
  3. [293] 48) Z. B. auch Bartholinus im Hodoeporicon.
  4. [293] 49) Es sind die bekannten Verse: Si probitas sensus, die z. B. auch Trithemius, Ann. Hirsaug. I, 587 und Cuspinian, Caesares 342 haben.
  5. [293] 50) Er beweist aus den Urkunden, daß Konrad 1125 zum römischen König erklärt und 1126 zum Kaiser gekrönt worden sei, hat auch das Todesdatum Heinrichs II. richtig zum 13. Juli, aber er läßt in seiner Vita Conradi doch ruhig stehen: electoribus quasi per annos duos post Heinrici Caesaris mortem super futuri regis electione discrepantibus. – Platina hat unter Johann XXI. triennio post und fügt bei: Hoc autem interregno crediderim ego multas Italiae civitates spe libertatis erectas ab imperio defecisse.