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den Habsburgischen Stammbaum zunächst an den der Frankenkönige anzuknüpfen und diesen dann mit den alten Mitteln der Trojanersage bis zu Priamus und Hektor hinaufzuführen. Er hat denn auch den Hunibald des Trithemius als willkommene Bestätigung seiner Phantasien freudig aufgenommen, und es ist wohl kein Zweifel, daß Maximilian ihm darin gefolgt wäre, wenn nicht durch Johann Stabius[1] die Kritik eingesetzt hätte.

Stabius hat damals nicht nur die eingehende Untersuchung des Tritheimschen Nachlasses veranlaßt, der das Truggebilde des Hunibald wenigstens für den Wiener Kreis vernichtete, er hat auch gegen die Suntheim-Mennel-Tritheimschen Genealogien den einzigen Einwand erhoben, dessen die Kritik damals fähig war: er fand, daß sie chronologisch für die beanspruchten Zeiträume nicht ausreichten und in den für die Abzweigung entscheidenden Gliedern aus der gleichzeitigen Überlieferung nicht erwiesen werden könnten.[2] Aber dann ist doch auch er selbst der genealogischen Phantasterei erlegen. Ja, er scheint es sogar für nötig gehalten zu haben, seinen Rivalen zu übertrumpfen. Sein Werk ist ein Stammbaum, der bis auf Noah zurückgeht. Hier ist dann Maximilian selbst oder vielleicht erst sein Narr, Kunz von der Rosen, verständiger gewesen als der gelehrte Humanist.[3] Aber auch Mennel auszustechen, ist Stabius nicht gelungen. Mennel erscheint dem Kaiser doch als der geeignetste Mann, die Heiligen des Hauses Österreich zu beschreiben. Er hat auch nach der Kritik des Stabius 1518 das Ganze seiner genealogischen Forschungen in einem umfangreichen „Geburtsspiegel“ zusammenfassen dürfen und dann nach Maxens Tod seine Weisheit kleinweise unter das Volk gebracht. In dieser popularisierenden Tätigkeit erinnert er an Sebastian Brant, mit dem er ja auch bei den Arbeiten für die Heiligen und die Genealogie in persönliche Beziehungen getreten ist[4], doch wird man ihn geistig tiefer stellen müssen. Seinen Standpunkt mag es bezeichnen, wenn er in seinem „Keyserall und Papstall“ 1522 zum Nachlesen gleichmäßig die Chronik des Hermannus Contractus, die Papstleben des Platina und die berüchtigten Betrügereien des Zwickauer Arztes Erasmus Stella empfiehlt.[5]

Die Geschichte hat an all diesen Arbeiten nicht viel gewonnen, auch an denen des Stabius nicht, es muß uns genügen, daß aus ihnen in gewissem Sinne die Holzschnitte der Ehrenpforte Albrecht Dürers, der Genealogie und der Heiligenreihe Hans Burgmairs und Leonhard Becks und schließlich auch die Erzfiguren Peter Vischers in Innsbruck hervorgegangen sind. –


  1. [289] 21) Vgl. für ihn Aschbach, Gesch. d. Wiener Universität II, 363 mit den Korrekturen Bauchs (Anfänge des Humanismus in Ingolstadt 100 ff. und Reception des Humanismus in Wien 128 f.) und Jahrbuch l. c. III.
  2. [289] 22) Laschitzer 21.
  3. [289] 23) Daß Stabius der Urheber der „Noahgenealogie“ ist, zeigt die von Laschitzer nicht angeführte Stelle aus Cuspinians Austria (Ausgabe von 1601, p. 44) Hieronymus Gebweiler ... praeterquam quod duces Austriae ex arca Noae deducit,... sibi arrogat inventionem Joannis Stabii, historici et poetae eruditissimi divi Maximiliani Caesaris propriam, non suam, quam quidem inventionem D. Caesar Maximilianus ab initio admiratus est et laudavit, sed tandem reiecit et vetuit, contentus ex regibus Francorum ducere suam prosapiam. Mennel muß das wohl angenommen haben, denn die von Harzen im Deutschen Kunstblatt V (1854), 23818 aus dem handschriftlichen Fugger angeführte Anekdote zeigt ihn mit Maximilian zusammen bei der Besprechung dieser Genealogie. Die Anekdote selbst – Kunz von der Rosen läßt den Kaiser durch einen Bettler und eine Dirne belehren, mit was für Leuten er durch diese Abstammungstafeln in „Brüderschaft“ käme – ist zwar nur ein Duplum zu einer Geschichte von Rudolf von Habsburg (bei Andreas Ratisbonensis), wird aber dadurch nicht unglaubwürdig.
  4. [289] 24) Laschitzer hat im Jahrbuch IV l. c. nachgewiesen, daß ein von Herberger, Peutinger 60104 abgedruckter Brief nicht Brant, sondern Mennel angehört. Doch ist an dem Anteil Brants an der Genealogie nicht zu zweifeln, da sein Sohn Onuphrius in der oben [III137] zitierten Vorrede sich darüber bestimmt ausspricht. Da die Stelle für die literarischen Unternehmungen Maximilians wichtig ist, setze ich sie her: Kurtz verruckter nachgonder zeyt [sc. nach seiner Bestallung zum kais. Rat] ließ bemelte Römische kayserliche Maiestat jme schreiben mit vnderzeichniß irer Maiestat eygen handt, auf nebenschriftlicher instruction und bericht des Edeln erentreichen, hochberümpten vnd vilgeachten herrn Niclaus Ziegelers etc. irer Maiestat allergeheimisten Sekretarien, wie das ir Maiestat des willens wer (als auch unser Heiliger Vatter Babst Julius der ander irer Maiestat vergünstiget vnd zugelassen hat) von irer Maiestat voreltern, von den blůt, vrsprung vnd zugewandtschafft des löblichen haußes Österreich, von mannen, frauwen vnd iungckfrauwen ein mercklich anzal deren, die biß anher für heilig vnd eins seligen lebens gewesen sein geachtet worden, in den Katalogum der heiligen vnd den kalendarium setzen zu lassen, da sich die zal vff hundert vnd treyssig erstreckt. Do wer ir Maiestat gnädigs begeren, das genannter Doctor Brandt Antiphen derselben heiligen lebens legend bequemlich, auch versickel vnd Collecten denselben gleichmässig new frän[k]ische form vnd vergriff stellen solt, dann ir Maiestat solchs jme zu thun allein vert[r]uwen that. Diser arbeit sich obbenanter mein lieber herr vnd vatter abermals vnderzogen, auch irer Maiestat des ein prob derselben etwo vil außbereit durch doctor Jacob Mennlin zukommen lassen. Aber ee solch arbeit gar volbracht, als ir Maiestat jme wider schreiben vnd befelhen lassen irer vrsprünglichen geburt halb von Noa biß vff das hochloblich geschlecht Habspurg etwy mit fleiß zu ersuchen vnd erscheinen. Solcher arbeit (wie gar schwär vnd bürdlich die sein mag, ist leicht zu achten) mein geliebter herr vnd vatter sich auch vnderzogen... Hew leyder ist so bald der Rümes, eeren, tugend vnd loblich kayser Maximilianus [290] zu dem allermechtigen herren vnd regierer aller Fürsten vnnd herren berüfft worden. Vgl. Ch. Schmidt, Hist. litér. de l’Alsace I, 252.
  5. [290] 25) Das 1522 erschienene und Karl V. gewidmete Buch ist auch sonst für den Geist Mennels bezeichnend. Es gibt, da manche Chroniken nicht nach Jahren von Christi Geburt, sondern nach Kaisern und Königen zählen, eine chronologische Tabelle, in der Kaiser und Päpste nach Stamm, Namen, Eigenschaft, Regierungszeit und Todesart verzeichnet sind. Die letzte Rubrik enthält dann die „Historie“, d. h. Wichtiges aus der Regierung des betreffenden; dazu gehört z. B. bei Caesar: Zu diesen zeyten seind zu Rom einßmals drey sonnen erschienen, daruß ein sonn worden. Ein ochs hat geredt wunder. – Bei Friedrich Barbarossa: Hat vil großer sachen gethon, daß wunder ist, für zum heyligen grab, hat vil stett gewonnen, und als er in eim kleinen wasser baden wolt, is er ertrunken.