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von den zwei feindlichen römischen Brüdern aus dem Geschlecht der Pier Leoni, die vielleicht schon König Rudolfs Kanzler Heinrich von Klingenberg aufgebracht hatte[1], noch Gregor Hagens Versuch, eine jüdisch-biblische Abstammungsreihe zu rekonstruieren, hatte sich halten können. Zwar war jene noch Heinrich von Gundelfingen und mit einiger Veränderung auch Albrecht von Bonstetten brauchbar erschienen, die sich bereits als eine Art von Hofgeschichtschreibern an den Hof des Tiroler Herzogs Sigismund anschlossen, und die Ansicht Hagens hatte in Ebendorfer einen Erneurer gefunden, aber die Herleitung der Habsburger von einem „guten und alten Geschlecht“ in Rom war für Maximilians genealogischen Ehrgeiz sicher ungenügend und gegen Gregor Hagen hatte Enea Silvio seine vernichtenden Angriffe gerichtet. Eine Zeitlang scheint man von der Gelehrsamkeit des Nauklerus eine Lösung auch dieser Frage gehofft zu haben, aber der setzte in seine Chronik nur eine kurze Bemerkung über die Unsicherheit all dieser Phantasien.[2] So blieb die Arbeit der Hofgeschichtschreibung Maximilians vorbehalten, und es entsprach der Natur des Kaisers, daß er die Aufgabe auf breitester Grundlage zu lösen suchte.

Wichtig war es für diese Bestrebungen schon, daß Maximilian das Amt eines Hofhistoriographen schuf. In Frankreich und Burgund war das schon älter, aber für Deutschland ist, soweit ich sehe, Maximilian mit der Schaffung eines solchen Amtes vorangegangen, er hat dann bald bei den Wettinern in Wittenberg und den Wittelsbachern in Heidelberg und München Nachahmung gefunden.

Von vornherein hat sich Maximilian die genealogische Verherrlichung seines Hauses in doppelter Form gedacht; es sollte ein Stammbaum und eine Stammchronik entstehen.[3] Wie jedes im einzelnen geplant war, bleibt dunkel, aber wir dürfen wohl annehmen, daß der Stammbaum nur eine in der Weise der Zeit bildlich darzustellende Genealogie, höchstens mit kurzen Belegen aus den Chroniken, die Stammchronik aber, wie Max es einmal ausdrückte, aller Habspurger und Österreicher lob, nobilitatem, prudentias, dexteritates bis auf den Kaiser selbst erhalten sollte[4], also etwas, wie es Ebendorfer schon mit seiner Heraushebung der qualitas seiner Herzoge und seiner folgenreichen Beinamenerfindung versucht hatte, und wie es dem Kaiser an den burgundischen Chroniken so gut gefiel.

Zunächst scheint der Ravensburger Ladislaus Suntheim der Vertrauensmann Maximilians gewesen zu sein. Er hatte schon 1491 den Text zu einer Genealogie der Babenberger geliefert, er kam zudem


  1. [287] 11) S. Rieger, Heinrich v. Klingenberg u. d. Gesch. d. Hauses Habsburg in AÖG. XLVIII, 303–354. Abweichend Albert in ZGOberrheins N. F. XX, 179 ff.
  2. [288] 12) Chronicon II, 236b: De Rudolphi regis genealogia modo dicendum esset, cum et magnifica eius gesta describuntur, sed de tam varia scriptorum opinione non est, quod iudicem. Summi principis autoritatem a gestis rebus petere licet, non a natione, quamquam et haec fortassis est quaedam virtutis imago. Originem comitibus de Habispurg a Perleonibus comitibus Romanis civibus deducunt ex Aventino monte splendida nobilitate freti, opinor, non omnino malis autoribus, apud quos ei rei fides esto. Nos, qui vir Rudolphus fuerit, tanti haeres imperii, studiosius exequemur. – Daß auch Naukler zu Maximilian in Beziehung stand, berichtet Cuspinian (Caesares p. 486, 35). Daß er einen Stammbaum gefertigt habe, sagt ausdrücklich Jakob Spiegel in einem Scholion zu der Austrias Bartholins s. Ulmann, Maximilian II, 7492. Nach der oben mitgeteilten Äußerung war das jedenfalls kein Karolingerstammbaum. Die früheste datierbare Erwähnung eines solchen, die ich kenne, ist Wimpfeling, Epitome cap. 9: Maximilianus ex ea domo et ac familia genitus est, de qua Caroli Magni stirps propagata fuit.
  3. [288] 13) Das Folgende beruht, wo keine andere Quelle angegeben ist, auf der oben angeführten trefflichen Abhandlung Laschitzers, Kaiser Maximilian I. in Beziehung zur Geschichtschreibung seiner Zeit.
  4. [288] 14) Laschitzer 11.