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scheiden wollen, aus der Menge humanistischer Unternehmungen, die sich an seinen Namen hängen, diejenigen, denen er ihn nur geliehen hat, von denen sondern müssen, die wirklich aus seinem Geiste hervorgegangen sind.

Und da verengt sich der Kreis. Wir sahen, wie er auch der Protektor der Germania illustrata geworden ist. Beatus Rhenanus berichtet, daß er Belohnungen auf die Auffindung alter deutscher Urkunden gesetzt habe, Melanchthon auf Grund von Äußerungen des Stabius, daß Maximilian eine deutsche Chronik aus den widersprechenden Nachrichten der Provinzialgeschichten habe zusammenlesen lassen wollen.[1] Aber es gibt keine Beweise dafür, daß diese Pläne auch nur angerührt worden sind, und den Gedanken der Germania illustrata hat Celtis, wie wir sahen, nach Wien gebracht, und er ist mit ihm von dort verschwunden. Aber es gibt von Celtis noch einen anderen historischen Plan: Er wollte eine Theodericeis schreiben, ein Epos auf den Gotenkönig, das zugleich eine Geschichte Deutschlands enthalten hätte[2], – wenn er den Gedanken dazu nicht von Maximilian erhalten hat, so hat er ihn ganz aus seinem Geiste erfunden.

Denn das historische Interesse des Kaisers richtete sich zunächst auf seine und seiner Vorfahren Taten, die ihm Jakob Mennel noch auf dem Sterbebette vorlesen mußte, und es blieb im letzten Grunde – das hat schon Cuspinian gut gesehen[3] – ein genealogisches. Freilich genealogisch im weitesten Sinne, das ihn einerseits, wie bei dem Innsbrucker Grabmal, über die Ahnherrn des eigenen Hauses hinaufführt zu Gottfried von Bouillon, Theudebert von Burgund, Chlodwig, Theoderich und Artus – oder auch zu den „Heiligen des Hauses Österreich“, wie er sie in einer Holzschnittfolge darstellen ließ – und anderseits, wie in dem zweiten großen Denkmal, das er für den Speirer Dom plante[4], auch ohne es vollenden zu können, zu seinen dort ruhenden Vorgängern auf dem Kaiserthrone, deren Reihe sich ihm so natürlich wie nur je einem Kaiserreihenschreiber des Mittelalters bis auf Cäsar fortsetzte. Die Geschichtschreibung Maximilians, die er selbst pflegt oder pflegen läßt, ist also, wie Heinrich Ulmann und Simon Laschitzer treffend gesagt haben[5], in erster Linie persönlich und dynastisch, in zweiter imperialistisch.

In beiden Richtungen gab es Anfänge aus früherer Zeit. Besonders reich waren die Vorarbeiten auf dem eigentlich genealogischen Gebiete. Schweizer, Schwaben und Österreicher hatten sich wetteifernd bemüht, dem kleinen aargauischen Grafengeschlecht einen möglichst erhabenen Ursprung zu sichern. Aber weder die Hypothese


  1. [287] 7) Beatus Rhenanus, Res. Germ. 108, S. o. V138. Melanchthon i. d. Vorrede zum Chronicon Urspergense von 1537: Itaque Stabium audivi narrantem Imperatoris Maximiliani consilium, quem constituisse aiebat certis hominibus doctis mandata dare, ut collectis undique Germanicis chronicis, quia alius alia annotasset, ex fragmentis illis Germanicam historiam integram, quam fieri posset, componerent. Sed vel occupationibus impeditus, vel quia non satis idoneos homines rei tantae, qui quidem vacui fuissent, reperiebat, inceptum omisit. Vgl. Corpus Reformatoram III, 216 u. 877 ff. Ich glaube, daß hier nicht mehr Tatsächliches zugrunde liegt, als was Cuspinian (unten Anm. 15) berichtet. S. zur Kritik auch Ulman, Maximilian II, 7412 und 7431, sowie Gottlieb, Ambraser Handschriften I, 49 f.
  2. [287] 8) Vita Celtis per Sodalitatem litterariam Rhenanam [vor der Ausgabe der Oden 1513]: Theodoriceiden orsus, quo Theoderici regis Gothorum et Germaniae historiam complecti voluit versu heroico. – 1502 spricht Celtis in der Widmung der Amores von einer auf Wunsch Maximilians geplanten Maximilianeis. Ob die Wandlung zu einer Theodoriceis mit der Ausgestaltung der Ideen für das Innsbrucker Grabmal zusammenhängt?
  3. [287] 9) Cuspinian l. c. 491: Erat enim et historiarum studiosissimus. Et cum familiam suam praeclaram Austriae, diu in tenebris obsitam ac iacentem, in lucem produxisset, afficiebatur plurimum, si in pulchram redacta seriem scripta ei praelegebantur.
  4. [287] 10) Darüber wird demnächst eine Abhandlung Hermann Grauerts Näheres geben.
  5. [287] 10 a) Ulmann in ADB. XX, 735 und Laschitzer im Jahrbuch l. c. VII, 8.