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Wien verhandelt oder das Poetenkollegium im Sinne der „alten Kaiser, seiner Vorgänger“ stiftet, so konnte man an einen deutschen Augustus glauben.[1]

Aber doch ist dies alles für Maximilian nur ein Gewand, in dem er nie ganz heimisch wird. Der Herrscher, der sein Privatleben in einem allegorischen Gedicht und sein öffentliches in einem Ritterroman beschreibt, der das Heldenbuch zusammenstellen läßt und uns damit die Gudrun erhalten hat, der in Schloß Runkelstein die alten gemalten Geschichten vom Tristan erneuert und ein Werk über Feirefis plant[2], steht anders zu den geistigen Strömungen der Zeit, als etwa die Tübinger um Bebel, die über die inepta carmina von Dietrich von Bern und von dem Riesen Fasolt spotten, und auch anders als Celtis und sein Kreis.

Von der Überzeugung, die auch die deutschesten der Humanisten beseelte, daß man eben doch die angeborene Barbarei abtun müsse, um in das Reich der wahren Bildung einzugehen, ist keine Spur bei ihm. In einer überaus merkwürdigen Stelle seiner autobiographischen Aufzeichnungen[3] erzählt er, wie er sich als Knabe dagegen gesträubt habe, von seinem Lehrer „in poetica ac aliis artibus liberalibus“ unterwiesen zu werden; er wollte lieber Geschichten von hochgemuten Königen hören und die weltlichen Künste lernen, die man außerhalb der Schule sich erwirbt. – So ist er geblieben. Wenn er sich zu Worms von den Fürsten in seinen Königsrechten bedrängt sieht, dann fällt ihm kein Vergleich aus der Antike ein, sondern er sagt, er wolle kein Herrscher sein, den man, wie weiland König Gunther, gebunden an die Wand henken könne, er läßt auf demselben Reichstag nach den Gebeinen des hürnenen Siegfried graben[4], und wenn er um sein Grabmal die Erzbilder seiner Ahnen und Lieblingsgestalten versammelt, so sind darunter König Artus und Theoderich.

Maximilians eigentliches Wesen wurzelt doch, wie es der Beiname „der letzte Ritter“, oder wie man auch hat sagen wollen, „der letzte Epiker“, richtig ausspricht, in der mittelalterlichen Kultur des Rittertums, und diese ist bei ihm eine ähnliche Verbindung mit dem Humanismus eingegangen, wie bei den burgundischen Ahnen seiner Gemahlin oder bei den Estes, die Ariost beschützten. Vielleicht hat er damit gerade die zukunftsreichsten Triebe des deutschen Humanismus gefördert – poetisch war auch an den Allegorien des Teuerdank doch mehr als etwa an der albernen Göttermaschinerie, die Richard Bartholinus in seiner Austrias in Bewegung setzte –, aber wir werden doch, auch auf dem Gebiet der Geschichtschreibung, wenn wir recht


  1. [287] 3) Die bekannte Erzählung Melanchthons im Chronicon Carionis über die Selbstbiographie jetzt mit Diskussion der Stelle bei O. Bürger, Beiträge z. Kenntnis des Teuerdank 12 ff. – Zum „Reuterlatein“ auch Cuspinian, Caesares 486: castrense Latinum vel (ut vulgus loquitur) militare didicit. – Zu dem Vergleich mit Caesar die Rede Bebels oben VI14 und die Bemerkung im Gedenkbuch, (Gottlieb, Die Ambraser Handschriften) I, 58, dazu Ulmann, Maximilian II, 7383. – Zum Akademieprojekt Geiger i. d. Zs. f. dte. Kulturgesch. 1875 S. 112, dazu den Brief Pirckheimers im Serapeum XVI, 181 ff.
  2. [287] 4) Gottlieb l. c. I, 62.
  3. [287] 5) Gedruckt mit dem Weißkunig im Jb. d. kunsthist. Sammlungen d. allerhöchsten Kaiserhauses VI, 425.
  4. [287] 6) Der Ausspruch Maximilians bei Heyck, Kaiser Maximilian 66, zum hürnenen Siegfried Horawitz, Caspar Bruschius 1541.