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Unwißbares zu erforschen. „Da mag nun niemand kein fest Urteil fellen, denn die zeyt ist zu lang“, „es mag nit wol erfunden werden“ und Ähnliches hat er oft. Dafür, daß er sich den Berosus nicht entreißen läßt, hat er seine Gründe,[1] die Chronik von Ebersheimsmünster, gegen die Rhenanus so wuchtige Streiche geführt hatte, war ihm aus dessen eigenem Besitz durch Brieffer zugekommen, aber im allgemeinen darf man sagen, daß der Maßstab seiner Kritik nicht eine Einsicht in den Wert der Quellen ist, sondern der gesunde Menschenverstand, so daß er da zu den besten Ergebnissen kommt, wo er aus eigener Anschauung der gegenwärtigen Verhältnisse redet. –


Mit der Kosmographie Münsters ist der Gedanke der Germania illustrata zu seinem Ausgangspunkt zurückgekehrt: wir fanden ihn zuerst an eine Erneuerung der Europa des Enea Silvio geknüpft, eine Erneuerung der Europa ist das Kernstück und das Beste in der Kosmographie geworden. Münster ist nach langen Zeiten wieder ein Geograph in den Bahnen Strabos, wie es Enea gewesen war.

Eine Germania im Sinne des Celtis aber war Münsters Deutschland nicht. Er hat kaum mehr irgendwelche direkte Einwirkung von ihm erfahren, er ist auch kein Geistesverwandter von ihm, seine Art, die Dinge zu sehen, verhielt sich zu der des Celtis wie ein Meistergesang von Hans Sachs zu einer Celtisschen Ode. Bei seinen Städtebeschreibungen hat die Norimberga nicht Modell gestanden, und von den zwei großen Gedanken, welche die Auffassung des Celtis von Deutschland beherrschen, dem pangermanischen Patriotismus und dem Glauben an ein anbrechendes neues Zeitalter deutscher Kultur, ist bei ihm nur noch der zweite wirksam und auch dieser hat eine Wendung ins Materielle genommen. Nichts erscheint ihm merkwürdiger, als daß Länder, die einst so arm waren, daß sie ihre Einwohner nicht ernähren konnten, wie Schweden, jetzt an Wachstum den anderen voranstehen. Nichts beachtet er sorgfältiger, als die Urbarmachung großer Waldstrecken wie im Schwarzwaldgebiet oder die Wegsammachung des Gebirges, wie bei der Brennerstraße des Augustus, und so ist der Grundgedanke seiner ganzen Schilderung Deutschlands, „daß aus der vordrigen wüsten jetz ein paradys“ geworden ist.[2]

Aber von Deutschland als dem rechten Herrn über alle Völker, der Quelle alles Adels weiß er nichts mehr, so wenig wie Aubanus betont er die alten Rechte der Kaiser auf Italien. Wenn er von den Händeln um Mailand spricht, so ist ihm das hauptsächlich ein Duell zwischen Karl V. und Franz I., bei Venedig wird man vergebens


  1. [286] 145) F. 147: Den Berosus wöllen etlich verwerffen, darumb das er oder das buch, so vnder seynem namen außgangen ist, mit den andern nit gleich zustimpt. Darzu weiß ich nit zureden. Aber das weiß ich wol, so viel antrifft die hebreischen wörter, deren vil seind, find ich kein impostür oder trug darin, ia sie zwingen mich dem buch glauben zu geben, besunder die weyl zu der selbigen zeyt, do Berosus bey uns durch ein münch herfür kommen ist, niemand vnder den Christen gewesen ist, der in der hebreischen sprachen ein bericht hab gehabt. Wer wolt den ongelerten münchen gesagt han, was Estha, Maia, Arecia vnnd Ruha were gewesen, die der frembden sprachen gar onwissen seind gewesen? Doch will ich nit darwider fechten, das nit vnder das gut etwas letzes vermist sey worden durch ein fräuelen menschen.
  2. [286] 146) Über den Schwarzwald s. F. 401: Es seind zimlich vil stett, dörffer, schlösser vnd clöster darin kommen, daß einen wunder möchte nemen, wie sie sich in der ruhen art alle betragen möchten. Über die Brennerstraße F. 436.