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geeignet als er. „Montes Germaniae altissimi sunt, sicuti produnt scriptores, et nivibus maxime onusti“, sagt er einmal, und das ist charakteristisch für seine ganze Auffassung.[1] Keine Spur, daß er die Angaben der Schriftsteller durch eigene Anschauung kontrolliert oder ergänzt hätte, wie es Vadian mit seiner Pilatusbesteigung versuchte, Celtis in so großartiger Weise für sein ganzes Wanderungsgebiet getan hat. Man darf zweifeln, ob Irenikus selbst ihm so nahe liegende Dinge wie den Ursprung der Donau oder den Fischreichtum des Bodensees bei Konstanz aus eigener Kenntnis notiert, jedenfalls hat er einen Schriftstellerbeleg dazu für nötig gehalten, und auch wo er eine gute eigene Nachricht bringen kann, wie die über die Gewinnung des Bernsteins, gelangen wir zu ihr nur über einen Haufen wahlloser Zitate.[2]

Das Wertvolle in diesem geographischen Teile liegt also nicht in irgendwelchen eigenen Beobachtungen – es ist der Schätzung des Werkes noch spät verhängnisvoll geworden, daß es hier wirklichen Kennern von Land und Leuten so gar nicht genügte[3] – sondern, wenn wir von seinen doch nur geborgten Mitteilungen über den skandinavischen Norden absehen, wieder ausschließlich auf dem antiquarischen Gebiete. Was er hier über das Alter der deutschen Städte und ihr allmähliches Wachstum sagt, ist trotz mancher Fehlgriffe interessant, auch dadurch, daß er den Versuchen, auch die Städte in das graue germanische Altertum heraufzurücken, sich widersetzt. „Sic demum urbes Germaniae penes omnes esse recentes constat nec vetustate quadam ut Indiae, Graeciae praeditas. Licet etiam germanica natio cunctis antiquitate prior, totum mundum paene, si cum priscorum aevo decertamus, praecesserit, in struendis tamen urbibus paene posterior esse cognoscitur.“[4] So weit ich sehe, ist Irenikus der erste humanistische Geschichtschreiber, der Heinrich I. in diesem Zusammenhange als Städtegründer erwähnt, vielleicht hat diese Auffassung erst durch ihn wieder weitere Kreise gezogen. –


Irenikus hat mit seinem Buche bei den Zeitgenossen wenig Glück gehabt. Zustimmung fand er nur von einer Seite, und es ist fraglich, ob sie ihm, wenn er sie gekannt hätte, viel Freude bereitet hätte. Mutian, der trinkfrohe Gothaer Kanonikus, hatte sich das Buch von seinem Freunde, dem Erfurter Augustinermönch Johannes Lange, in seine „Beata Tranquillitas“ hinter dem Dom schicken lassen und schrieb am 1. Juli 1520 dem Freunde sein Urteil.[5] Der Schüler des Celtis wußte Bescheid in dessen Plänen einer Germania illustrata,


  1. [281] 108) Vgl. auch Exegesis VII, 24 über die Höhlen im Jura: In Alpibus Suiticis plerosque aditus subterraneos patere asserunt. Vidi ipse multos, qui se pene deviasse dixerunt totumque diem in illis tenebrosis speluncis oberrasse. Folgt eine Stelle über den „Hechelberg“ in Norwegen nach der Mitteilung des Johannes Virdung.
  2. [281] 109) Exegesis VII, 7: Revera, ut ab ocularibus testibus accepi, nascitur in mari Germanico, in insula Austrania (teuto. in dem strom) eo pacto: Oriente maris et ventorum tempestate Pruteni viri pariter et mulieres edicto principum ad mare tendunt, viri nudi mare intrantes, ut fasciculos piscium, maris stercus circa litus accipiunt, pueri electra inde separant, foeminae ignibus et pellibus nudos viros frigore affectos observant et ita viri iuramento a principe astricti ei collecta succina deferunt.
  3. [281] 110) Bruschius an Johannes Mergell s. a. (Horawitz, Caspar Bruschius 216): Evolvi per hos dies subcesivis horis Irenici Exegesin de rebus ac situ Germaniae scriptam, quam tu mihi, vir clarissime, communicasti. Inveni ibi quaedam, quae mihi prosunt in labore meo, agnosco igitur me tibi debere multiplices gratias pro talis libri communicatione. Sed quantum errorum fit in hoc ipso autore, nemo novit, nisi qui Germaniam perambulavit.... Video bonum Irenicum multa scripsisse, non ut viderat illa, sed ut ex aliis referentibus ac mentientibus audiverat.
  4. [281] 111) Exegesis IX, 18.
  5. [281] 112) Mutians Briefwechsel, ed. Gillert II, 265. Krause hat den Brief für ernst genommen, s. CBlBiblW. X, 16.