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Den Zwiespalt in den genealogischen Überlieferungen auszugleichen, hat er nicht für seine Aufgabe gehalten, es genügt ihm ihn aufzuzeigen.[1] Wichtiger ist es ihm, einem anderen Zwiespalt vorzubeugen, der bei einem Schriftsteller leicht entstehen konnte, der sich vorgesetzt hatte, so viele deutsche Herren gleichmäßig zu loben. Er hat sich damit geholfen, daß er nicht wenigen von ihnen den Beinamen eines unentbehrlichen Helfers Maximilians gab.

Das Buch vom deutschen Adel dient dann als Prodromos für drei weitere Bücher von den deutschen Kriegen. Wieder geht Irenikus sehr umständlich zu Werke. Erst nachdem er in einem vierten Buch die kriegerischen Eigenschaften und das Kriegswesen der Germanen gewürdigt hat[2], beginnt er die Aufzählung der Kriegstaten selbst. Ein ganzes Buch von 48 Kapiteln ist fast durchaus den Kriegen mit dem Imperium Romanum gewidmet, und wenn wir mit den Zeiten des Theodosius schon im 25. Kapitel so ziemlich das Ende erreicht zu haben glauben, da ja die Völkerwanderungsgeschichte, die Pirckheimer gefordert hatte, einem eigenen sechsten Buche aufgespart ist, so belehrt uns Irenikus eines besseren. Er hat bisher, um Licht und Schatten gerecht zu verteilen, nur die Angriffe römischer Kaiser auf Deutschland mit gebührlicher Hervorhebung des Schadens, den sie dabei erlitten haben, erzählt, jetzt wird er zeigen, daß die Inclinatio romani imperii bereits mit der Varusschlacht beginnt, und auch der römische Grenzwall muß sich gefallen lassen, als Zeichen der Schwäche des Römerreichs zu gelten.[3]

Irenikus hat sich mit diesen Dingen sehr gründlich beschäftigt, so gründlich, daß ihm für die Kriegstaten der eigentlich deutschen Geschichte nur noch ein paar Kapitel bleiben, und diese füllt er mit wenigen abgerissenen Notizen. Im übrigen aber verweist er auf die neueren Chroniken und Annalen, auf die Zeitgenossen, die sich ja so lebhaft mit Zeitgeschichte beschäftigten, auf Wimpfelings Epitome, die eine treffliche Ergänzung seines Buches abgebe.[4] Es ist nicht der kleinste Widerspruch bei einem Autor, der sich eben noch über das Fehlen aller Schriften über deutsche Kriege beklagt hat und der seinem Buche das Schreiben Pirckheimers mit den Klagen über die Altertumskrämer vorgesetzt hatte, die nicht bis zur Gegenwart gelangten.

Man könnte sagen, daß von dem hier Fehlenden doch manches schon in dem großen Genealogienbuche gegeben sei. Aber man wird der Wahrheit näher kommen, wenn man im Zusammenhalt mit diesem Abbrechen der Kriegsgeschichte auch das Genealogienbuch als einen


  1. [279] 94) S. die Bemerkungen über die bairischen und schwäbischen Genealogien.
  2. [279] 95) Für die Disposition Buch IV Prooemium: Verum ut demum ad rem, quam paro, redeam et institutum ordinem dicam, quem ita stare volumus, ut in proximo libro de Germanorum nobilitate agatur. Liber igitur subsequens rei superiori natura coniungitur, nam praesens liber ad bellicam Germanorum virtutem transibit, ex qua verae nobilitatis fons in Germanos descendit, unde magna illius voluminis pars ex priori pendet.
  3. [279] 96) Exegesis V, 39 wohl die erste Zusammenstellung der antiken Nachrichten über den Limes, dann 40: Germania quamquam exilis fuerat et undique Romanis [Text: Germanis] circumdabatur, tamen Romanorum potentiam posthabuit. Unde Romani libenter et ex aequo a Germanis (licet potentissimi) abstinuissent, si Germani eorum pacem non fuissent aspernati. Reposuerunt igitur Romani praesidia in limites, non ut Germaniam caperent, verum ut tantum a populatione provinciarum a Germanis affectarum ipsos arcerent.
  4. [279] 97) Exegesis V Conclusio: Id scribendi genus, quod nunc nostro ingenio cessit, in me requisivit, ut pariter a prima Germaniae origine usque ad calcem in deducendis historiis pergerem. Multa tamen nos averterunt, quorum maximum erat, quod vidissem maximam aequaevorum meorum partem in recentioribus historiis vehementur occupatam antiquitatis vero penitus nullam habuisse rationem, tot enim chronici, tot annales, ut nihil in his desideretur, quod saeculo recentiori contigit. Nec anni, nec horae desunt, minutis rem metiti sunt, ut fit, quando rerum novarum impensiores sumus. Sunt, quibus rerum novarum cura erat, qui historias recentiores effuderunt ac plenis spatiis dilataverunt, in quorum [280] numero Urspergensis, Hermannus, Regino ac paene tot annales, quot sunt Germaniae urbes ac vici. Illos requirere potes, quorum operam si ornando nomini meo impendere maluissem ac quidquid nobis vigilantia nostra tribuit, in unum cumulum coaggerassem voluminique illi supposuissem, quales, quaeso, rerum species edidissem? Adde, quod hi rem tam exacte, tam enixe prosecuti sunt, ut si labores eorum nostro operi imitandos ascivissem, aut rem prodigialiter mutassem aut eorum orationem intemeratam, integram recensuissem. Denique unus ille e multorum numero Iacobus Wimphelingus instar plurimorum in recentioribus rebus habendus est, qui ferme de imperii translatione (ubi nostra oratio desiit) exorditur ac foelici rerum serie scribendi ordinem a calce libri nostri usque ad suam aetatem deduxit, non parce, non succise, verum latis finibus effuse plena ac abundanti historia disseruit omnia. Hunc nostro libro coniunge et dices coniunctissimum.